Wenn du heute Marketing leitest oder dich mit SEO beschäftigst, spürst du es vermutlich täglich: Die Suche verändert sich radikal. Zwischen klassischen Suchergebnissen, KI-generierten Antworten und neuen „Agenten“, die Inhalte automatisch abrufen, verschiebt sich der ganze Rahmen, in dem Marken sichtbar werden. Und hinter all dem steht kein Bruch mit der Vergangenheit, sondern eine Evolution – eine Neuordnung der Rollen von Mensch, Maschine und Marke.
Die Entwicklung der klassischen Suche
Viele fragen sich, ob die klassische Suchergebnisseite – die berühmte SERP mit den blauen Links – bald Geschichte ist. Ganz ehrlich? Nein. Sie ist nicht tot, aber sie verändert sich – tiefgreifend. Die Suchvolumina steigen weiter, und Google integriert seine KI immer stärker in dieselbe Oberfläche. Das bedeutet: Du suchst vielleicht noch auf die gewohnte Weise, aber das, was dir angezeigt wird, hat längst ein neuronales Gehirn im Hintergrund.
Wenn Nutzer heute recherchieren, etwa bei komplexen Themen oder persönlichen Anliegen, bleibt die traditionelle Suche unschlagbar. Sie bietet Tiefe, Vergleichsmöglichkeiten und Perspektiven. Gerade im E‑Commerce gilt: Man will stöbern, Angebote prüfen, Rezensionen lesen. All das existiert nicht in einer einzelnen KI-Antwort, sondern in einem lebendigen Netzwerk aus Quellen. Genau in dieser Vielfalt liegt der Wert klassischer SERPs.
Spannend ist, dass Google beides verbindet. Das Modell „Gemini“ speist die KI‑Overviews – also die Antworten, die über den normalen Ergebnissen stehen – direkt aus den Daten der klassischen Suche. Die KI verdichtet, bewertet und präsentiert. Wenn dein Unternehmen dort als Quelle auftaucht, wirkt das fast wie eine Empfehlung von Google selbst. Und das verändert, wie Sichtbarkeit entsteht: weniger Links, aber höhere Autorität für jene, die genannt werden.
Wie Googles Integration wirklich funktioniert
Google ersetzt nichts – es schichtet Systeme übereinander. Auf den vertrauten Ergebnissen baut es eine AI‑Ebene auf, die nach Vertrauenswürdigkeit bewertet und Inhalte passend kombiniert. Für dich als Verantwortlichen heißt das: Der Fokus liegt nicht mehr nur auf Rankingfaktoren, sondern auf semantischer Relevanz und Markenkompetenz. Nur was eindeutig formuliert, sauber strukturiert und glaubwürdig belegt ist, schafft es in diese neue KI‑Welt.
Das zeigt sich auch in den Zahlen: Die Überschneidung zwischen klassischen Suchergebnissen und KI‑Zusammenfassungen wächst, in manchen Branchen deutlich über 20 Prozent. In sensiblen Bereichen wie Gesundheit, Versicherung oder Bildung werden hochwertige, bereits bekannte Quellen bevorzugt. Online‑Shops dagegen tauchen seltener in KI‑Antworten auf, weil Google die Transaktionen lieber weiterhin im gewohnten Umfeld der Produktanzeigen hält.
Neue Anforderungen an SEO
Du musst also zweigleisig denken. Zum einen pflegst du die bewährten SEO‑Grundlagen – Technik, Backlinks, Inhalte, nutzerorientierte Keywords. Zum anderen optimierst du für KI‑Lesbarkeit: klare Strukturen, FAQ‑Formate, Passage‑Titel, Daten, die von Maschinen verstanden werden. Ziel ist es, dass deine Inhalte nicht nur gefunden, sondern verstanden und zitiert werden.
Aus meiner Erfahrung lohnt es sich, Begriffe wie „Entity“ und „Strukturierte Daten“ nicht länger als technische Fußnoten zu sehen. Sie sind Sprachelemente für künstliche Intelligenzen. Wer sie sauber pflegt, schafft eine Art Übersetzer zwischen Menschentext und Maschinendenken. Und genau das entscheidet künftig über Sichtbarkeit.
Was Google AI Mode für CMOs bedeutet
Googles KI Mode ist nicht einfach ein neues Feature, sondern ein Fundament für zukünftige Suchlogik. Er arbeitet auf zwei Ebenen: „AI Mode“ dient der breiten Entdeckung und bezieht doppelt so viele Marken ein wie die experimentellen „AI Overviews“. Letztere sind selektiv, instabil, eine Art Testfeld für neue Gewichtungen. Beide zusammen bilden ein geschlossenes System, das Marken nach Vertrauens‑ und Relevanzschwellen sortiert.
Und: Ein einziger KI‑Prompt löst heute dutzende klassische Suchanfragen aus. Wenn jemand fragt: „Welches Laufband ist für Anfänger geeignet?“, startet Googles KI unzählige Unterabfragen – Preis, Größe, Zubehör, Bewertungen. Die sichtbare Antwort ist nur die Spitze dieses mehrschichtigen Prozesses. Das macht das alte Keyword‑Denken endgültig obsolet. Du konkurrierst nicht mehr um ein Suchwort, sondern um semantische Präsenz in Themenclustern.
Hinzu kommt die Verschmelzung von Suche und Browser. Chrome beginnt, selbständig mitzudenken: Tabs verknüpfen, Informationen aggregieren, Aufgaben ausführen. Für uns Marketer bedeutet das: Inhalte werden weniger besucht, mehr verarbeitet. Der Nutzer interagiert mit Ergebnissen, ohne zwingend auf eine Website zu klicken. Sichtbarkeit heißt deshalb nicht mehr nur Traffic, sondern Relevanz im Dialog.
Ich halte das für den größten Paradigmenwechsel seit der Erfindung von Google Ads. Statt reiner Suchoptimierung brauchen Unternehmen jetzt Kommunikationsoptimierung – Inhalte, die in einem Gespräch Bestand haben, nicht nur in einer Ergebnisspalte.
Der strategische Dreiklang für CMOs
1. Früherkennung & Reporting: Du brauchst Systeme, die jede Verschiebung in den KI‑Ergebnissen messen. Wenn deine Marke plötzlich in einem neuen Kontext genannt wird – positiv oder negativ – musst du es wissen.
2. Automatisierung & Skalierbarkeit: Prozesse für Content‑Produktion und Datenaufbereitung müssen schnell genug sein, um mit Googles Experimentierfrequenz Schritt zu halten.
3. Narrativsteuerung: Künstliche Intelligenz erzählt Geschichten in deinem Namen. Gib ihr Material, das deine Markenbotschaft korrekt widerspiegelt. Wenn du schweigst, schreibt sie sie selbst.
Der Aufstieg der „Agenten“ – wenn Maschinen für Nutzer suchen
Seit kurzem übernehmen sogenannte „Agentic AIs“ – lernfähige Bots – aktiv den Rechercheprozess. Sie surfen, vergleichen, füllen Formulare aus und treffen Vorentscheidungen. Man könnte sagen: Sie sind die Vorhut deiner zukünftigen Kunden. Laut aktuellen Daten machen sie bereits rund ein Drittel der organischen Website‑Besuche aus. Diese Bots bewerten Seitenqualität in Echtzeit – Ladezeit, Struktur, Evidenz. Fällt deine Seite durch, bist du im KI‑Ökosystem schlicht unsichtbar.
Das bedeutet: Content muss nicht nur indexierbar, sondern interpretierbar sein. Maschinen müssen verstehen, was du anbietest, wem du vertraust, wie aktuell du bist. Wer diese „Vorverarbeitungs‑Schicht“ optimiert, dominiert das Spielfeld.
Der neue Kaufprozess
Die klassische Marketing‑Funnel – Awareness, Consideration, Conversion – wird durchlässig. KI Agenten liefern Vorschläge, bevor ein Nutzer aktiv sucht. Menschen springen zwischen Stufen, manchmal direkt von Inspiration zu Kauf. In diesem Chaos liegt aber auch eine Chance: AI Search deckt das „Warum“ eines Problems ab, organische Suche das „Wie“. Die Kombination aus beidem ergibt den neuen Umsatzpfad.
Nach meiner Beobachtung sind KI‑Plattformen ideal für Bedürfnis‑Weckung und Orientierung. Conversions, also echte Handlungen, passieren immer noch überwiegend über klassische organische Treffer. Das eine füttert das andere. Deine Aufgabe ist es, beide Ebenen miteinander zu verbinden.
Praktische Konsequenzen für Marketingteams
Unternehmen brauchen zweierlei: stabile technische Fundamente und flexible Teamstrukturen.
Technisch heißt das: Perfekte Ladezeiten, präzise strukturierte Daten, eindeutige Inhaltsblöcke.
Organisatorisch: Weniger starre Abteilungen, mehr cross‑funktionale Teams aus SEO, Datenanalyse, Machine‑Learning‑Spezialisten und Content‑Designern. AI Tools übernehmen Routine, Menschen definieren Strategie und Tonalität.
Auch die Erfolgsmessung wandelt sich. Klicks reichen nicht. Relevanter sind künftig Metriken wie „Citations Rate“ – wie oft nennt dich eine KI‑Antwort als Quelle? –, „Reference Share“ oder „Presence Tests“ über verschiedene Plattformen hinweg. Diese Zahlen zeigen, ob deine Marke in der neuen Suchsprache vorkommt.
Zwischen Forschung und Realität
All diese Entwicklungen klingen futuristisch, aber sie passieren jetzt. Wer wartet, verliert Sichtbarkeit nicht über Nacht, sondern schleichend – weil andere Marken in die KI‑Trainingsdaten integriert werden und du nicht. Ich habe Projekte gesehen, bei denen ein einziger sauber strukturierter Produktkatalog genügte, um plötzlich in zahllosen KI‑Antworten aufzutauchen. Anders gesagt: Transparenz und Datenhygiene zahlen sich aus.














