Lokale Suche ist im Umbruch. Künstliche Intelligenz hat in den letzten Monaten die Regeln verändert – und gerade große Marken mit mehreren Standorten spüren das. Wer bisher mit klassischen SEO-Techniken in den Karten und organischen Ergebnissen konstant sichtbar war, muss sich plötzlich mit neuen Oberflächen und Suchgewohnheiten auseinandersetzen. Was auffällt: Die Suchplattformen selbst ändern sich, aber auch das Verhalten der Nutzer. Und wer diese Veränderungen versteht, kann seine Sichtbarkeit sogar ausbauen, während andere Marktanteile verlieren.
KI-Überblicke und neue Suchmodi verdrängen lokale Sichtbarkeit
Im letzten Jahr ist Google mit seinen sogenannten AI Overviews und einem neuen „AI Mode“ gestartet. Diese Funktionen beantworten viele Suchanfragen direkt, bevor überhaupt ein Kartenpaket oder die klassischen lokalen Ergebnisse auftauchen. In der Praxis bedeutet das: Eine Bäckerei, ein Tierarzt oder ein Fitnessstudio kann direkt um die Ecke liegen – und trotzdem nicht erscheinen, weil der Algorithmus die Anfrage anders interpretiert. Nur explizit lokale Suchphrasen wie „in meiner Nähe“ oder „in Berlin“ führen zuverlässig in die Kartenansicht. Suchst du dagegen „beste Physiotherapie für Läufer“, entscheidet das KI-Modul oft eigenständig, ob es lokalisierte Antworten überhaupt einblendet.
Aus meiner Erfahrung ist das eine der größten Herausforderungen für lokale SEO-Teams: Du kannst alles richtig machen, und doch landet dein Unternehmen außerhalb des Sichtfeldes. Es reicht heute nicht mehr, Google My Business sauber zu pflegen oder Bewertungen zu sammeln. Man muss verstehen, welche Sucharten die KI als lokal interpretiert – und welche nicht. Die neue Logik folgt eher einer semantischen als einer geografischen Zuordnung. Das verlangt nach präziser Inhaltsoptimierung statt rein technischer SEO.
Neue Plattformen konkurrieren um die lokale Entdeckung
Gleichzeitig schieben sich andere Plattformen in die Lücke, die Google lässt. Nutzer entdecken Dienstleister, Restaurants oder Geschäfte zunehmend über ChatGPT, Perplexity, TikTok oder Reddit. Besonders Jüngere holen sich Empfehlungen direkt über Kurzvideos. Eine Suchanfrage wie „beste Tierarztpraxis in Köln“ liefert auf TikTok oft persönliche Berichte, die mehr Vertrauen erzeugen als anonyme Sternebewertungen. ChatGPT wiederum schlägt Unternehmen vor, die in seinem Trainingsmaterial vorkommen – unabhängig davon, wie aktuell diese Daten sind. Wer dort nicht auftaucht, existiert für diese Nutzer praktisch nicht.
Manchmal erlebe ich, dass Unternehmen diese Kanäle immer noch für reine Unterhaltung halten. Doch sie sind längst Such- und Entscheidungsplattformen. Wenn ein Friseur in Hamburg in mehreren TikTok-Clips erwähnt wird oder ein kleines Café durch Reddit-Empfehlungen bekannt wird, taucht es über Umwege auch in den Antworten der großen Sprachmodelle auf. Dasselbe gilt für Chatbots in Navigations-Apps. Die Grenzen zwischen Suchmaschine, Empfehlungssystem und Kommunikation verschwimmen. Erfolgreiche Marken denken plattformübergreifend und erzeugen Inhalte, die in diesen neuen Ökosystemen trainierbar und teilbar sind.
Wie SERP-Features die lokale Sichtbarkeit verändern
Spannend ist auch, welche Suchergebnisseiten-Strukturen (SERPs) wann erscheinen. Tests zeigen, dass Google je nach Suchintention ganz unterschiedliche Module bevorzugt: Navigationsorientierte Begriffe wie „Tierarzt Berlin Mitte“ aktivieren fast immer das Kartenpaket. Dagegen führen informationsorientierte oder kommerzielle Suchanfragen häufiger zu „People Also Ask“-Boxen oder direkt zu KI-Übersichten. Das klassische Dreier-Kartenpaket schrumpft. Stattdessen übernehmen Produktkarussells, Foren, Videoausschnitte oder Reddit-Snippets die sichtbaren Plätze. Für lokale Ketten bedeutet das, dass die Wahl der Schlüsselwörter inzwischen strategischer sein muss als je zuvor.
In meiner Beratungspraxis hat sich bewährt, Suchbegriffe in drei Suchtypen einzuteilen: informativ, kommerziell und navigational. Nur Letztere haben eine stabile lokale Ausspielung. Darum lohnt es sich, Content so zu strukturieren, dass er mehrere Intenten abdeckt: informative Ratgebertexte plus klare Standortsignale wie Adresse, Öffnungszeiten und „Was uns in München auszeichnet“. So kann eine Seite sowohl in der KI-Übersicht zitiert als auch im Kartenpaket gelistet werden.
Reddit als Signalquelle für KI und Rankings
Ein oft unterschätzter Faktor ist Reddit. Dieses Forum liefert durch authentische Gespräche und Erfahrungsberichte Unmengen an Daten, die sowohl in große Sprachmodelle eingespeist als auch von Suchmaschinen ausgewertet werden. Analysen zeigen, dass Marken, die dort positiv erwähnt werden, teilweise sprungartig in den Antworten von KI-Tools auftauchen – ganz ohne klassische SEO-Maßnahmen. Ein Eintrag in einem Nischen-Subreddit kann ausreichen, um diesen Effekt auszulösen.
Ich habe mit einem Einzelhändler gearbeitet, dessen Produkt in einem Reddit-Thread empfohlen wurde. Zwei Wochen später tauchte das Unternehmen plötzlich in generativen Suchantworten auf, obwohl es dort nie aktiv optimiert hatte. Das zeigt, dass soziales Vertrauen und organische Erwähnungen mittlerweile Rankingfaktoren sind – auch außerhalb deiner eigenen Website. Wer lokal sichtbar bleiben will, sollte also beobachten, in welchen digitalen Gesprächen die Marke vorkommt. Authentische Teilnahmen – keine gekauften Kommentare – stärken nicht nur Reputation, sondern trainieren letztlich die Modelle, die deine Marke „kennen“ müssen.
Lokale Creator als neue Stimme der Marke
Nicht minder wichtig ist, wie ein Unternehmen mit seiner Community spricht. Inhalte, die von echten Menschen vor Ort stammen, wirken glaubwürdiger als jedes perfekt geschnittene Unternehmensvideo. Wenn eine bekannte Person aus der Region – ein Blogger, TikToker oder Hobbyfotograf – über ihre persönliche Erfahrung berichtet, entsteht Vertrauen. Algorithmen bevorzugen solche Beiträge, weil sie Engagement erzeugen. Das Ergebnis sind bessere Platzierungen in Video-Karussells, Social-Feeds und manchmal sogar organischen Such-Ergebnissen.
In einer Kampagne mit einem Restaurantverbund haben wir lokale Food-Creator eingebunden, die in ihren Städten ohnehin Einfluss haben. Deren authentische Inhalte fanden nicht nur auf Social Media hohe Resonanz, sondern erschienen später in Googles Videoboxen, was neue Besucher brachte. Es zeigt, dass lokale Authentizität messbare Ergebnisse liefert. Für dich heißt das: Kooperationen mit Menschen aus deiner Nachbarschaft können effizienter sein als teure nationale Kampagnen – zumindest für die lokale SEO-Wirkung.
Drei Kernschritte für Marken mit mehreren Standorten
Nach allem, was wir heute sehen, lassen sich einige praxisnahe Schritte ableiten:
1. Karten- und KI-Ergebnisse getrennt optimieren
Die Kartenansicht und die KI-Antworten folgen unterschiedlichen Datenquellen. Optimiere deinen Google-Unternehmenseintrag mit strukturierten, aktuellen Informationen, während du zugleich Inhalte auf deiner Website schreibst, die semantische Relevanz für lokale Themen zeigen. So erhöhst du die Chance, in beiden Bereichen aufzutauchen.
2. Plattformübergreifendes Monitoring einführen
Behalte im Blick, wo deine Marke außerhalb von Google erwähnt wird. Kommentare auf TikTok, Social Posts oder Forenbeiträge beeinflussen, wie KI-Systeme dich wahrnehmen. Tools für Social Listening oder einfache Alerts reichen oft aus, um Trends früh zu erkennen.
3. Authentische, ortsgebundene Geschichten erzählen
Ersetze generische Versprechen („beste Qualität seit 1990“) durch konkrete Erlebnisse („unsere Bäckerin Anja verwendet Getreide vom Feld 20 Kilometer entfernt“). Diese Art der Sprache verbindet lokale Identität mit Vertrauen – ein Punkt, den KI-Systeme zunehmend bewerten können.
Ein realistischer Blick nach vorn
Wahrscheinlich stehen wir erst am Anfang einer umfassenden Veränderung von lokaler Suche. KI-gestützte Assistenten werden zu „Agents“, die automatisch Termine vereinbaren oder Bestellungen auslösen – ohne dass der Mensch selbst eine klassische Suchanfrage stellt. Unternehmen müssen sich dann fragen: Bin ich überhaupt in der Datenbasis dieser Agenten vertreten? Ist mein Standort mit Öffnungszeiten, Bewertungen und Angeboten maschinenlesbar verknüpft?
Ich finde diese Entwicklung spannend, auch wenn sie beunruhigend wirkt. Lokales Marketing war immer ein Mix aus Technik und Vertrauen. Dieser Grundsatz bleibt bestehen – nur die Form wandelt sich. Datenstruktur ersetzt Flyer, und vertrauenswürdige Online-Stimmen ersetzen Mundpropaganda. Wenn du es schaffst, beides zusammenzubringen, hast du in der Ära der KI nicht weniger, sondern mehr Chancen auf Sichtbarkeit.
Am Ende geht es nicht darum, die nächste Algorithmusänderung vorherzusagen. Es geht darum,














