Die Diskussion rund um LLMs.txt wirkt für viele inzwischen ein wenig schräg – fast so, als sei ein Hype entstanden, bei dem kaum noch jemand fragt, ob das Ganze überhaupt Substanz hat. Wenn du dich schon mal gefragt hast, ob du für deine Website so eine Datei brauchst: die kurze Antwort lautet nein. Und die lange Antwort ist spannender, denn sie zeigt, wie sich in der SEO-Welt manchmal Blasen bilden, die mehr mit Unsicherheit und Marketing zu tun haben als mit echter Technologie.
Ich habe selbst in den letzten Monaten einige Gespräche geführt, in denen SEOs voller Ernst erklärten, dass man ohne LLMs.txt Gefahr läuft, in den KI-Ergebnissen unterzugehen. Gleichzeitig gibt es aber keine einzige große AI-Plattform, die so ein Ding überhaupt nutzt. Das ist fast ein Lehrstück dafür, wie „SEO-News“ und „Tool-Anbieter“ eine gegenseitige Schleife erzeugen können, bis alle glauben, es sei längst ein Standard. Also lass uns das Ganze etwas entwirren.
Warum taucht LLMs.txt überhaupt auf?
Die Datei ist als eine Art Pendant zur robots.txt gedacht, nur eben für Large Language Models – also Chatbots wie ChatGPT, Claude oder Googles AI-Systeme. Die Idee: Du könntest dort Regeln oder kuratierte Inhalte hinterlegen, die diese Bots dann nutzen, anstatt sich am normalen HTML-Dokument zu bedienen. Klingt auf dem Papier nett. In der Praxis aber hat Stand heute niemand diese Spezifikation implementiert.
Trotzdem: SEO-Tools begannen, diese Datei in ihre Audits einzubauen. Nutzer bekamen plötzlich Warnungen im Stil von „Deine Seite hat kein LLMs.txt – Risiko für Sichtbarkeit!“ und waren damit verunsichert. Ein typisches Beispiel ist eine Diskussion eines SEOs auf Reddit: Er wunderte sich, warum Semrush ein 404 meldete, weil er kein LLMs.txt hatte. Und er fragte prompt: „Brauche ich das?“
Die Dokumentation dieser Tools spricht sogar von „Risiken“, wenn die Datei fehlt. Das Problem: Es gibt keine Gefahr, weil keine AI darauf zugreift. Aber der beiläufige Hinweis reicht, um den Eindruck einer Pflicht zu erzeugen.
Die klare Aussage von Google
Google-Ingenieur John Mueller sprach das Thema sehr direkt an: „Es ist unnötig.“ Seine Empfehlung: In SEO solltest du besonders früh die Spreu vom Weizen trennen und nicht blind Trends hinterherlaufen. Das ist ein wertvoller Reminder: Nicht alles, was Tools anmahnen, verdient deine Zeit und Energie.
Warum AI-Plattformen LLMs.txt ablehnen dürften
Ein stärkerer Grund gegen die Nutzung ist die fehlende Vertrauenswürdigkeit. Stell dir vor, du könntest „exklusive“ Inhalte in ein Markdown-Dokument schreiben, das nur der Bot sieht. Das klingt nach einer Einladung zu Manipulation. Schon jetzt finden SEOs Wege, versteckte Prompts oder „Sprach-Anweisungen“ im HTML einzubauen, die normale Nutzer nie sehen. Eine Forschungsarbeit von 2024 hat genau solche Adversarial SEO-Angriffe beschrieben – Angriffe, die LLMs dazu bringen, gezielt einzelne Produkte oder Seiten stärker zu empfehlen. Bing und Perplexity ließen sich in Tests tatsächlich austricksen.
Wenn du also eine Sonderdatei einführst, die der Bot auswertet, bietest du Hackern und Spammern ein perfektes Einfallstor. Deshalb setzen AI-Unternehmen lieber auf Inhalte, die für Menschen und Maschinen identisch sichtbar sind. Das ist deutlich schwerer zu manipulieren.
Das Verhalten der SEO-Plugins
Die Reaktionen der gängigen Plugins sind bezeichnend. Squirrly etwa sagt offen: Wir haben die Funktion eingebaut, weil die Nutzer sie wollten – aber bitte erwarte keinen Effekt auf deine Sichtbarkeit. Das finde ich ehrlich und sympathisch.
Rank Math hingegen betont, dass ein Bot mithilfe der Datei auf „kuratierte“ Inhalte zurückgreifen könnte. Damit erwecken sie den Eindruck, es sei tatsächlich hilfreich. Faktisch stimmt das aber nicht: AI-Chatbots nutzen weiterhin das normale HTML, keine separate Datei. Yoast wiederum geht den Mittelweg: Sie erklären den Zweck allgemein und sagen vorsichtig, dass es etwas bringen könnte – womit sie die Erwartungen dämpfen, aber das Feature gleichzeitig „attraktiv“ halten.
Die Entstehung einer Fehlschleife
Und hier sind wir im Kernproblem. Unternehmer denken: „Ich muss doch etwas tun, um in AI sichtbar zu sein.“ Tools bauen Checks ein, Plugins neue Features. Diese bestätigen wiederum die gefühlte Pflicht. Das Ergebnis: eine Echokammer, die ein Scheinproblem großredet.
Viele von uns haben das in SEO schon mal erlebt – sei es beim Keyword-Meta-Tag in den 2000ern, bei „Link Directories“ oder AMP. Es entsteht ein Hype, bis die Realität ihn wieder einholt. LLMs.txt wirkt so, als wären wir wieder genau da.
Was solltest du stattdessen tun?
Vielleicht die wichtigste Frage. Denn die Unsicherheit rund um AI-SEO ist real. Jeder spürt, dass sich die Landschaft verändert, und gerade deswegen wirken einfache Lösungen verlockend. Aber anstatt ein nicht genutztes Dateiformat zu pflegen, lohnt es sich mehr, die eigene Seite fit für echte AI-Signale zu machen. Das bedeutet vor allem:
- Saubere Inhalte: Strukturiere deinen Content so, dass AI-Modelle ihn ohne Missverständnisse interpretieren können.
- Technische Klarheit: Schema.org, strukturierte Daten, gute interne Verlinkung – das alles hilft real messbar.
- Markenaufbau: Deine Marke im Web präsent und vertrauenswürdig zu machen, spielt in einer AI-getriebenen Suche eine viel größere Rolle als ein imaginärer LLMs.txt-Eintrag.
Ein bisschen provokant gesagt: Wer sich drauf verlässt, dass ein Textdokument die Sichtbarkeit rettet, läuft Gefahr, das eigentliche Haus nicht zu renovieren, während er die Türschwelle poliert.
Mein persönliches Fazit
Ich habe mittlerweile gelernt, bei jedem neuen „SEO-Must-have“ kurz innezuhalten und mich zu fragen: Welche Plattform nutzt es wirklich, und zu welchem Zweck? Wenn die Antwort ist: „Niemand“ – dann ist es für mich keine Priorität. Genau da steht LLMs.txt im Moment.
Kurzum: Ein Boost ist es nicht, Zeitverschwendung schon eher. Und doch erzählt die Diskussion viel über die Stimmung in der Branche – über Sehnsucht nach Klarheit, über FOMO, und auch über die Bereitschaft von Tools, Nachfrage künstlich anzuheizen. Deshalb lohnt es sich, das Thema nicht nur als „unnötig“ abzutun, sondern als kleines Lehrstück zu betrachten: wie wir uns als Branche manchmal selbst in Schleifen verheddern.














