LLMs ziehen deinen Blick an – aber sie bringen dir (noch) keinen verlässlichen Traffic. In den letzten anderthalb Jahren hat sich ein klarer Trend gezeigt: Das, was im Frühjahr 2024 wie eine neue Traffic‑Quelle aussah, stellt sich im Herbst 2025 als schnell schrumpfende Randerscheinung heraus.
Viele SEO‑ und Growth‑Teams hatten darauf gehofft, dass durch ChatGPT, Claude und ähnliche Large‑Language‑Modelle (LLMs) eine Art „zweiter Suchkanal“ entsteht. Tatsächlich war 2025 zunächst ein Boomjahr: B2B‑Websites sahen +65 % Zuwachs an Weiterleitungen aus LLM‑Interfaces. Doch seit Juli ist dieser Zuwachs eingebrochen – knapp −43 % in nur drei Monaten.
| Kurz gesagt: Die Nutzung der Tools wächst weiter, aber sie verlinken seltener hinaus; die Zahl der tatsächlichen Klicks schrumpft. |
Von der Wachstumsphase in den Rückwärtsgang
Zwischen Januar und Juli 2025 lag das monatliche Wachstum von LLM‑Verweistraffic im Schnitt bei fast 20 %, Ende des Jahres nur noch bei rund 10 %.
2024 hatte man noch Hochrechnungen gewagt: Wenn sich der Trend fortsetze, könnten LLM‑Verweise bis 2027 rund die Hälfte des gesamten organischen Suchtraffics ausmachen. Heute ist klar – das wird nicht passieren.
Selbst wenn der Anteil des LLM‑Traffics an organischen Besuchen von 0,14 % auf gut 1 % gestiegen ist, verliert die Metrik insgesamt an Relevanz. AI‑Overviews in Google senken parallel das Klickvolumen traditioneller Suche. Das heißt: Die Kuchenstücke werden kleiner, selbst wenn ein paar neue hinzugekommen sind.
Warum die Klicks wegbrechen
Mehrere Faktoren haben den Abschwung ausgelöst.
1. Saisonalität ist kein Hauptgrund
August gilt im B2B‑Bereich als Urlaubsmonat, doch weder ChatGPTs noch Claudes Gesamtbesuche fielen spürbar. Das legt nahe, dass es nicht am Sommerloch lag.
2. Der „Router‑Effekt“
Seit ChatGPT 5 (veröffentlicht im August 2025) entscheidet ein sogenannter Router, welches Sprachmodell die Nutzeranfrage bearbeitet. Bevorzugt werden inzwischen vereinfachte, ressourcenschonende Modelle, die weniger „nach draußen zitieren“ – also seltener Quellen verlinken. Dadurch sinkt automatisch der Referral‑Traffic.
3. Konzentration auf Großdomänen
Analysen zeigen, dass die wenigen ausgehenden Links sich stärker auf Schwergewichte wie **Reddit** und **Wikipedia** konzentrieren. Kleinere Fachseiten oder Corporate‑Blogs kommen kaum noch vor.
Kurz gesagt: LLMs konsumieren mehr, verlinken aber weniger.
Nutzung steigt, Zitate fallen
Spannend ist der Widerspruch: Das Publikum der LLMs wächst stetig – ChatGPT verzeichnet laut Similarweb knapp 2 Milliarden monatliche Besuche – doch die Zahl der Textstellen, in denen Quellen genannt werden, fällt drastisch.
Interne Auswertungen zeigen:
- Nennungen von „chat.openai.com“ in Referral‑Logs sanken im Oktober um ein Drittel,
- das gleiche Dämpfungsmuster zeigt sich bei Claude,
- und Domains wie Reddit verlieren erstmals wieder Sichtbarkeit innerhalb der Zitierlisten.
Das bedeutet: Die Modelle nutzen mehr Inhalt, aber sie geben weniger davon an dich zurück.
Warum Traffic trotzdem die falsche Währung ist
Ich habe selbst unzählige Dashboards gesehen, in denen LLM‑Traffic als eigene Spalte gefeiert wurde. Doch eigentlich misst man damit den falschen KPI.
LLMs funktionieren nicht wie die klassische Suchmaschine, sondern eher wie Social‑Feeds oder TikTok‑For‑You‑Pages. Dort zählt Sichtbarkeit, nicht Klick‑Umleitung.
Studien bestätigen das:
- In einer Untersuchung zur „AI‑Mode“-Nutzung lag der Zero‑Click‑Anteil bei fast 100 % – Nutzer lesen die Antwort und gehen selten weiter.
- Pew Research fand heraus, dass nur etwa 1 % der Menschen Links aus Googles AI‑Overviews (der generativen Suchfunktion) anklicken.
Wir müssen also aufhören, LLMs wie Suchmaschinen zu behandeln. Stattdessen geht es um Reichweite, Markenexposure und Erwähnungen in Antworten.
Mehr Bühne, weniger Klicks
Hier liegt auch die positive Seite: LLMs nehmen Google Search nichts weg – sie erweitern das Spielfeld.
Daten zeigen, dass Menschen, die ChatGPT aktiv nutzen, Google nicht seltener aufrufen. Das ist wichtig: Es entsteht kein Verdrängungswettbewerb, sondern ein zusätzliches Sichtbarkeitsfeld.
So gesehen wächst die Gesamtoberfläche, auf der deine Marke vorkommen kann – auch wenn pro Oberfläche weniger Klicks herausspringen.
Du hast mehr Bühnen, aber das Publikum verteilt sich.
Was du jetzt konkret tun kannst
Anstatt auf das Wunder „LLM‑Traffic“ zu warten, lohnt sich ein realistischeres Setup:
Seasonality beobachten.
Miss monatlich, wie viele Zitate LLMs in deiner Branche generieren. So erkennst du, ob Rückgänge individuell oder marktweit sind.Citations & Mentions tracken.
Erfasse, ob dein Name in Antworten oder Quellenlisten vorkommt, auch ohne Link. Erwähnungen beeinflussen Markenbewusstsein und spätere Kaufentscheidungen.Marken‑Mentions priorisieren.
Eine Namensnennung ohne klickbaren Link ist oft mehr wert als gar keine Sichtbarkeit.LLM‑Traffic auf null budgetieren.
Plane keine Visits aus der ChatGPT‑ oder Claude‑Welt ein. Sie sind Bonus, kein Planungsbestandteil.Dort Präsenz zeigen, wo Modelle lernen.
Die Trainingsquellen der LLMs liegen meist in User‑Generated‑Content‑Bereichen: Foren, Rezensionen, Subreddits, YouTube‑Kommentare. Stärke deine Spuren genau dort.
Ein realistischer Blick nach vorn
Der Gedanke, dass KI‑Chats zur neuen Suchmaschine werden, war verführerisch. Die Zahlen sagen inzwischen etwas anderes.
Langfristig könnten LLMs die Art verändern, wie Menschen Informationen kontextualisieren, aber nicht zwingend, wie sie auf Websites klicken.
Darum gilt:
- Messe Sichtbarkeit statt Sitzungen.
- Baue Markenvertrauen, damit jede Erwähnung zählt.
- Denke in „Share of Mind“, nicht nur in Traffic‑Kurven.
Vielleicht wird die Klickkurve weiter sinken – aber wer verstanden hat, dass Aufmerksamkeit die neue Währung ist, kann trotzdem wachsen.
Aus meiner Erfahrung heraus lohnt es sich, den eigenen SEO‑Bericht mental umzuschreiben: Wo früher „Sessions“ in fetter Schrift standen, sollte heute „Sichtbarkeit in KI‑Antworten“ stehen. Wer das jetzt übt, spart sich später die Panik, wenn der Referer‑Traffic weiter verdunstet.
Fazit:
LLMs bleiben ein gigantischer Spiegel des Internets – sichtbar ja, messbar kaum. Wenn du gelernt hast, Sichtbarkeit als Erfolg zu verstehen, wird dich der Rückgang der Klickzahlen nicht mehr nervös machen.














