Mir geht es oft so, dass ich einen Text lese und sofort spüre, ob er von Hand oder von einer Maschine stammt. Es ist nicht unbedingt der Inhalt, nicht die Grammatikfehler oder die fehlenden Emojis, die mich stutzig machen. Es ist der Rhythmus. Dieses stakkatoartige, abgehackte, überdramatische Atmen zwischen den Zeilen. Genau das ist es, was vielen KI-generierten Inhalten ihre eigentümliche Kälte gibt – selbst dann, wenn sie vordergründig fehlerfrei wirken.
Die Frage ist: warum klingen so viele Texte inzwischen wie eine Mischung aus Politikerrede und Werbespot, wo sie doch eigentlich informieren sollen? Und noch wichtiger: wie kannst du als Schreiber oder Editor verhindern, dass deine Texte in diese Falle tappen?
Die Wurzel des Problems: KI schreibt wie sie „spricht“
Wenn man der Sache auf den Grund geht, merkt man schnell: Das Problem liegt weniger in faulen Algorithmen als vielmehr in den Daten, aus denen Sprache gelernt wurde. Künstliche Sprachmodelle sind jahrzehntelang mit Milliarden Wörtern gefüttert worden, und ein großer Teil davon besteht aus gesprochener Sprache, die bloß transkribiert wurde: politische Reden, TV-Interviews, Nachrichtensendungen, Debatten, Podcasts. Kurz gesagt – Material, das eigentlich fürs Ohr gedacht war, nicht fürs Auge.
Aus meiner Erfahrung fühlt sich Text ganz anders an, wenn er ursprünglich gesprochen wurde. Mündlichkeit braucht kurze Pausen, einfache Sätze, viel Wiederholung. Der Zuhörer hat ja keine Möglichkeit, etwas erneut zu lesen. Im Schriftlichen dagegen funktionieren längere Bögen, Zwischentöne, Nebensätze – was KI aber kaum so oft gesehen hat. Also fällt sie zurück in jene stumpfen, abgehackten Muster. Sie klingen fesselnd für fünf Sekunden, aber ermüdend, sobald man mehr als eine Seite liest.
Die Sache mit den Doppelpunkten und Gedankenstrichen
Ein Detail, das dir bestimmt schon einmal aufgefallen ist: Gedankenstriche tauchen in KI-Texten inflationär auf. Plötzlich wirkt jeder Satz wie eine halbe Bühnenpause, als wolle der Autor dich direkt anschauen und erwarten, dass du mit „Amen“ antwortest. Das ist kein Zufall. Transkripte von Reden markieren Pausen oft mit Strichen, und die Modelle haben das übernommen. So bekommt selbst ein nüchternes Fachthema den Soundtrack einer Predigt verpasst.
Hinzu kommt diese typische Dramatisierung. KI neigt dazu, Fakten aufzuhübschen, indem sie in Mini-Absätze zerlegt werden, fast wie Schlagworte auf einer Folie: „Die Zahlen fielen. Panik brach aus. Experten warnten.“ Für eine Präsentation mag das taugen, aber als Lesetext wirkt es auf Dauer wie ein Trommelfeuer.
Warum uns das so nervt
Auf den ersten Blick ist dieses Theater sogar wirkungsvoll. Wenn du nur kurz durch einen Social-Media-Feed scrollst, bleibt ein Satz wie „Alles änderte sich. Genau jetzt.“ hängen. Das Gehirn reagiert auf Rhythmus, Wiederholung, Knappheit.
Doch im Langtext kippt der Effekt. Schon nach zehn Minuten Lesen fühlst du dich gehetzt. Es fehlt die Ruhe, um eine Argumentation wirken zu lassen. Jede Zeile schreit nach Aufmerksamkeit, aber am Ende hat gar nichts davon Gewicht. Es ist wie in einem Raum voller Menschen, die alle gleichzeitig rufen – am Ende hörst du schlicht niemandem mehr zu.
Dazu kommt, dass viele diese rhetorische Übertreibung aus einem ganz anderen Kontext kennen: Populisten, Motivationstrainer, Verkäufer. Sobald Schrift in denselben Ton verfällt, zweifelt man instinktiv an ihrer Glaubwürdigkeit. Nicht unbedingt bewusst, aber unterschwellig. Wer so laut tönen muss, hat vielleicht nicht so viel Substanz in der Hand.
Wie du das künstliche Flimmern erkennst
Vielleicht fragst du dich, wie man das im Alltag sicher auseinanderhalten kann. Tatsächlich trainiert sich das schnell an:
- Viele, oft zusammenhanglose Ein-Satz-Absätze.
- Fragen, die nie beantwortet werden und nur Drama erzeugen („Und was passierte dann?“).
- Fragmente statt vollständiger Argumente – das stilistische Aufplustern von Banalem.
- Ein Predigt-Takt, als wärst du im Publikum statt im Lesesessel.
Sobald du es einmal bemerkt hast, erkennst du es immer wieder. Es fühlt sich an wie die eingespielte Lachspur einer Sitcom – künstlich, übergriffig, nicht zum Mitlachen gedacht.
Zurück zum menschlichen Schreiben
Wie entkommst du dieser Falle? Die Lösung ist nicht, alles künstliche Stilmittel zu meiden. Es geht darum, Kontrolle zurückzugewinnen. Hier ein paar meiner Empfehlungen:
- Variiere Satzlängen. Lange Gedankenketten dürfen neben knappen Sätzen stehen, so wirkt der Text lebendig.
- Setze Fragen bewusst ein, nur wenn sie wirklich Denkstoff liefern.
- Bündele Inhalte. Ein Absatz darf mehr als eine Aussage tragen. Deine Leser sind keine Vorschulkinder.
- Konzentriere dich auf Klarheit, nicht auf Drama. Lieber eine nüchterne Erkenntnis, die hängen bleibt, als ein Stakkato, das rauscht wie weißes Rauschen.
Natürlich bleibt es eine Arbeit gegen die Strömung: Tools, die dir Texte vorschreiben, werden fast automatisch wieder in diese Spur rutschen. Deswegen ist besondere Aufmerksamkeit beim Redigieren nötig.
Und in der Praxis?
Praktisch bedeutet das: Erziehe deine Content-Teams, solche Rhythmen wahrzunehmen. Führe Styleguides ein, die nicht nur Keyword-Dichte definieren, sondern auch Satzmelodie. Und – aus meiner Sicht der wichtigste Punkt – halte dir beim Schreiben klar vor Augen, dass du Menschen erreichst, nicht Algorithmen.
Denn, wenn deine Texte nur noch klingen wie eine automatisierte Verkaufspräsentation, verliert der Leser früher oder später das Vertrauen. Und dieses Vertrauen zurückzugewinnen ist zehnmal schwerer, als es zu bewahren.
Wann darf man den KI-Rhythmus nutzen?
Ganz verteufeln würde ich ihn nicht. Ein paar Kontexte gibt es, in denen er Gold wert ist:
- In Anzeigen, wo du ein, zwei Schläge setzen musst, nicht mehr.
- In kurzen Video-Skripten, wo Rhythmus über Aufmerksamkeit entscheidet.
- In Social Posts, die gescannt statt gelesen werden.
Aber für Essays, Blogs, Fachartikel? Nein. Da zerstört es die Glaubwürdigkeit. Stell dir vor: Ein wissenschaftlicher Fachbericht voller „Und dann geschah es! Alles brach zusammen!“ – niemand könnte das ernst nehmen.
Mein Fazit
Es ist nicht nur eine theoretische Beobachtung. Ich habe selbst erlebt, wie ganze Marketingteams unbemerkt in die Falle tappen, sobald sie KI stärker nutzen. Auf den ersten Blick spart es Zeit. Auf Dauer jedoch verschiebt es den Stil kollektiv in eine Richtung, die das Publikum instinktiv als billig empfindet. Genau deshalb sehe ich diese Frage nicht als reine Stilnuance, sondern als Zukunftsfrage für jede Marke, die ernst genommen werden will.
Wenn du also deine eigene Stimme erhalten oder deine Marke glaubwürdig positionieren willst, nimm dir das zu Herzen: Prüfe, ob dein Text atmet wie ein Mensch – oder hechelt wie ein Maschinengewehr. Das macht am Ende den ganzen Unterschied.














