In den letzten Monaten deutet vieles darauf hin, dass sich bei Google gerade ein größerer Umbruch vollzieht. Mit der Veröffentlichung des Q3-Berichts hat das Unternehmen einen spannenden Einblick gegeben, wie stark generative KI den Suchbereich prägt – und vor allem, dass diese Technologie offenbar nicht dazu führt, Suchaktivitäten zu verdrängen, sondern sie auszuweiten.
Ich fand das schon länger interessant, weil viele Marketer und Publisher befürchteten, dass KI‑Antworten weniger Klicks auf Websites bedeuten könnten. Aber die jüngsten Zahlen und Aussagen von Sundar Pichai deuten auf eine andere Realität hin: Google spricht von einem „expansiven Moment für Search“. Also schauen wir uns einmal an, was genau das heißt und was das für dich als SEO oder Marketer bedeuten kann.
Ein deutliches Wachstum – auch dank KI
Wenn man die groben Zahlen liest, sieht das beeindruckend aus: Alphabet überschreitet im dritten Quartal erstmals die 100‑Milliarden‑Dollar‑Marke beim Umsatz. Innerhalb dieser Summe steuern „Google Search & Other“ gut 56 Milliarden bei – ein Sprung von über sieben Milliarden im Vergleich zum Vorjahr. YouTube‑Anzeigen bringen über zehn Milliarden ein. Schon daraus wird klar, dass der Suchbereich weiterhin der wichtigste Ertragsmotor bleibt.
Sundar Pichai betonte bei der Vorstellung des Berichts mehrfach, dass der Einsatz von KI nicht zu weniger Suchanfragen führe, sondern insgesamt mehr Suchsitzungen auslöse. Er sprach sogar von zusätzlichen „AI‑led sessions“. Das klingt technisch, bedeutet aber letztlich: Nutzer stellen mehr, längere oder neue Arten von Anfragen, wenn sie mit AI‑Oberflächen interagieren.
Besonders spannend finde ich seine Einschätzung, dass sowohl die Gesamtzahl der Suchanfragen als auch die kommerziellen Anfragen – also alles, was irgendwie mit Käufen oder Dienstleistungen zu tun hat – im Jahresvergleich gestiegen sind. Noch interessanter: Das Wachstum war im dritten Quartal stärker als im zweiten.
Dass künstliche Intelligenz also nicht die klassische Suche verdrängt, sondern zusätzliche Suchimpulse generiert, ist ein bemerkenswertes Signal – vor allem, weil Google selbst ein großes Risiko getragen hätte, wenn das Gegenteil passiert wäre.
AI Mode: Von der Beta‑Funktion zum Haupttreiber
Der Begriff „AI Mode“ tauchte in den letzten Quartalen immer wieder auf, aber jetzt zeigt sich erst, wie schnell dieses Format Fahrt aufgenommen hat. Pichai sprach von einem „starken und konsistenten Wachstum“ Woche für Woche. Allein im dritten Quartal soll sich die Zahl der Anfragen im AI Mode verdoppelt haben.
Das Feature, das mittlerweile weltweit in 40 Sprachen verfügbar ist, hat inzwischen rund 75 Millionen tägliche aktive Nutzer. Das ist kein kleiner Test mehr; das ist Mainstream. 100 Verbesserungen in nur einem Quartal – das klingt, als würde Google das Produkt im Wochenrhythmus weiterentwickeln.
Aus meiner Sicht liegt hier der entscheidende Punkt: Diese KI‑Oberfläche ist nicht als Ersatz gedacht, sondern als Erweiterung. Sie beantwortet, verknüpft und öffnet Türen zu weiteren Inhalten, anstatt nur eine fertige Antwort zu liefern. Laut Pichai treibt AI Mode „zusätzliches Gesamtsuchwachstum“ an. Das ist etwas anderes, als man vielleicht erwartet hätte.
Wer SEO betreibt, sollte das doppelt aufmerksam verfolgen. Denn je stärker dieser Modus genutzt wird, desto wichtiger wird es, dass Inhalte maschinenlesbar, eindeutig strukturiert und mit klaren Entitäten versehen sind. Sonst landet man in dieser neuen Sucherfahrung gar nicht erst.
AI Overviews: Mehr Ergebnisse, mehr Neugier
Neben AI Mode spielt auch „AI Overviews“ eine zentrale Rolle. Diese Funktion, die man in vielen Ländern schon kennt, fasst verschiedene Quellen zusammen und erklärt Themen in einem kurzen Überblick, bevor klassische Treffer angezeigt werden.
Laut Pichai sei der Wachstumseffekt von AI Overviews im dritten Quartal „sogar noch stärker“ gewesen – besonders bei jüngeren Nutzern. Das überrascht mich nicht: Wer mit KI‑Chat‑Erfahrungen sozialisiert ist, empfindet lange Ergebnislisten oft als mühselig.
Google betont, dass über diese Overviews weiterhin „Milliarden von Klicks pro Tag“ an Websites gesendet werden. Ob sich das langfristig wirklich so positiv auf die Publisher auswirkt, ist schwer zu überprüfen, da Google derzeit keine neuen Messwerte oder Berichte dazu veröffentlicht hat. Aber fürs Erste scheint der Traffic‑Rückgang, den viele erwartet hatten, ausgeblieben zu sein.
Finanzielle Kennzahlen und was sie verraten
Die Überschrift im Finanzbericht könnte man so zusammenfassen: Solide. Alphabet wächst stabil, trotz – oder vielleicht gerade wegen – seiner teuren KI‑Investitionen. Die operativen Margen bleiben hoch, ohne den einmaligen EU‑Sanktionsbetrag lägen sie bei rund 34 %.
YouTube bleibt ein weiteres Zugpferd. Interessant ist, dass die sogenannten „Shorts“ mittlerweile mehr Umsatz pro Watch‑Hour bringen als klassische In‑Stream‑Anzeigen. Das zeigt, dass Google es tatsächlich geschafft hat, das Kurzvideoformat wirtschaftlich attraktiv zu machen – vermutlich auch ein Hinweis auf bessere Targeting‑Mechanismen durch KI‑Modelle.
Alles in allem liest sich der Bericht wie eine Verteidigung des AI‑Kurses: Das Unternehmen verdient weiterhin prächtig, und die Integration von KI‑Features scheint die Nutzung nicht zu schmälern, sondern sie auszuweiten.
Was das für dich bedeutet
Wenn man das Ganze aus Marketingsicht betrachtet, ergeben sich daraus mehrere Konsequenzen.
Erstens: KI‑Ergebnisse sollen Suchmuster verändern, nicht verdrängen. Für Werbetreibende ist das eine gute Nachricht, weil es bedeutet, dass Suchvolumen und Werbeflächen nicht verschwinden. Vielmehr verschieben sie sich – innerhalb des Google‑Ökosystems – in neue Formate.
Zweitens: Die Sichtbarkeit wird kleinteiliger. Inhalte, die in AI Overviews zitiert werden oder deren Daten von der KI erkannt werden, werden wertvoller. Backlinks sind nicht verschwunden, aber die Art, wie Autorität gemessen wird, verändert sich. Google spricht von „Meaningful Query Growth“, also qualitativ wachsendem Traffic.
Drittens: Messbarkeit bleibt schwierig. Genau hier liegt der Knackpunkt. Google schweigt bislang dazu, welchen Anteil der Klicks tatsächlich aus den generativen Flächen stammt. Es gibt keine neuen Reports in der Search Console, keine separate Metrik. Wer wissen will, wie seine Inhalte dort performen, muss vorerst auf eigene Daten oder Logfile‑Analysen zurückgreifen.
Ich persönlich vermute, dass 2026 die ersten offiziellen Reports dazu erscheinen, sobald Google für Werbekunden ein Monetarisierungsmodell rund um diese KI‑Oberflächen baut. Ohne Werbung wird kein detailliertes Tracking nötig sein – das war in der Vergangenheit immer so.
Technische und strategische Entwicklungen
Pichai deutete an, dass im Hintergrund bereits das nächste Modell‑Update vorbereitet wird: Gemini 3, das „später in diesem Jahr“ veröffentlicht werden soll. Damit will Google den KI‑Modus auf ein leistungsstärkeres technisches Fundament stellen.
Parallel dazu soll Chrome stärker mit KI‑Funktionen verschmelzen. Der Browser wird laut Google selbst zu einer „AI‑powered browser experience“ mit tieferen Gemini‑Integrationen und mehr „agentischen Fähigkeiten“. Das klingt nach einem Browser, der Aufgaben selbstständig erledigen kann – also Suchvorgänge oder Recherchen teilweise automatisiert ausführt.
Diese Entwicklung könnte langfristig eine neue Art von Nutzerverhalten erzeugen: weniger einzelne Suchanfragen, dafür ganzheitliche, kontextbezogene Informationsprozesse. Für SEOs bedeutet das, Entities, Themencluster und strukturierte Daten noch stärker zu priorisieren.
Eine Randbemerkung, die fast unterging, aber viel aussagt: Google hebt seine Investitionsausgaben für 2025 auf bis zu 93 Milliarden US‑Dollar an – ein Rekord. Das Geld fließt vor allem in Rechenzentren, GPUs und die Weiterentwicklung der KI‑Infrastruktur. Man investiert also konsequent weiter in genau jene Technologien, die die Suchlandschaft gerade umwälzen.
Das größere Bild
Wenn man die Entwicklungen zusammennimmt, könnte man sagen, Google steht an einem Wendepunkt, aber einem, der planvoll gestaltet wurde. Das Unternehmen befindet sich zwischen zwei Erwartungen: den Nutzern, die schnellere, intelligentere Antworten wollen, und den Publishern, die Sichtbarkeit und Traffic benötigen.
Bislang scheint Google Wege zu finden, beides zu bedienen – wenn auch mit einer gewissen Unschärfe. Der Schritt, KI‑Features global auszurollen, zeigt, dass das Vertrauen in das Produkt gestiegen ist. Andererseits wird Google irgendwann transparent belegen müssen, dass die versprochenen Milliarden‑Klicks tatsächlich bei den Publishern ankommen.
Ein interessanter Aspekt, den Pichai nur indirekt anschnitt, betrifft die jungen Nutzer. Wenn AI Overviews vor allem in dieser Gruppe besonders beliebt sind, dann formt sich hier womöglich eine neue Suchkultur – eine, in der Antworten nicht mehr über zehn blaue Links, sondern über Konversations‑Aggregate laufen.
Für Marketer bedeutet das, dass Content zukünftig stärker Antwort‑fähig sein muss. Das heißt: klare Struktur, präz














