Es gibt kaum ein anderes Unternehmen, das so sehr mit Online-Shopping gleichgesetzt wird wie Amazon. Umso erstaunlicher wirkt es, wenn dieses Schwergewicht plötzlich an Sichtbarkeit in den Google-Suchergebnissen verliert. Genau das ist aber in den vergangenen Monaten passiert: Neue Daten zeigen, dass Amazons Präsenz in den organischen Shopping-Ergebnissen von Google stark zurückgegangen ist – mit Folgen, die den gesamten E‑Commerce-Sektor betreffen könnten.
Ich habe mir die Entwicklung genauer angesehen und möchte dir die wichtigsten Erkenntnisse, Hintergründe und möglichen Erklärungen in einer zusammenhängenden Analyse darstellen. Dabei lege ich den Fokus bewusst auf drei Kernbereiche: Erstens die Veränderungen in Amazons Strategie, zweitens die spürbaren Auswirkungen auf Kategorien und Wettbewerber, und drittens die Frage, ob dieser Rückgang nun temporär oder ein langfristiger Bruch ist. Ganz ehrlich: Manche Aspekte sind so ungewöhnlich, dass sie zum Spekulieren einladen.
Der Auslöser – kleine Schritte, großer Effekt?
Um zu verstehen, weshalb Amazon jetzt schlechter in Google Shopping dasteht, musst du zwei relativ unscheinbare Anpassungen betrachten. Es begann damit, dass Amazon seine bezahlten Shopping-Anzeigen beendet hat. Das klingt erst mal wie ein reiner Budget-Entscheid, aber im Zusammenspiel mit den organischen Ergebnissen war es eindeutig mehr.
Zusätzlich fasste Amazon seine bisher drei unterschiedlichen Händlerkennzeichnungen – „Amazon“, „Amazon.com“ und „Amazon.com – Seller“ – unter einer einzigen Marke zusammen: einfach „Amazon“. Klar, auf Konsumentenseite wirkt das logisch und übersichtlicher. Aus SEO-Sicht allerdings veränderte es die Struktur des gesamten Merchant-Feeds im Hintergrund. Und genau dort setzen die Analysen an: Binnen weniger Wochen schrumpfte die Zahl der sichtbaren Produktkarten erheblich.
Ich habe schon häufiger gesehen, dass scheinbar kleine technische Anpassungen große Wellen schlagen. Ähnlich wie beim Entfernen eines einzelnen Dominosteins kann die gesamte Kette kippen. Hier scheint genau das passiert zu sein.
Das Ausmaß der Verluste
Vor dem Stichtag 25. Juli wurden rund 429.000 Produktkarten von Amazon im Google-Shopping-Grid geführt. Kurz danach nur noch knapp 295.000. Wenn du das in Prozent rechnest, ist es ein Rückgang von über 30 %. Und das in einem Markt, in dem Sichtbarkeit gleichbedeutend mit Umsatzchancen ist. Für ein Unternehmen wie Amazon ist das ein enormes Loch, auch wenn es nach außen kaum thematisiert wird.
Besonders auffällig: Die Verluste spielten sich nicht gleichmäßig ab, sondern konzentrierten sich stark auf einzelne Kategorien. Bekleidung litt am heftigsten – dort halbierte sich die Sichtbarkeit teils. Auch im Bereich Haushaltswaren oder Laptops sind die Einbrüche spürbar. Kleinere Segmente wie Reifen oder Dekor-Artikel waren etwas stabiler, dennoch ebenfalls rückläufig. So entzieht sich Amazon Schritt für Schritt ganzer Produktbereiche.
Beispielhafte Einbrüche bei Bekleidung
Einige Zahlen verdeutlichen, wie dramatisch die Entwicklung ist: In einem Segment fiel Amazon von knapp 32.000 Einträgen auf nur noch 13.600. In einem anderen von über 6.900 auf etwas mehr als 3.000. Alles innerhalb weniger Wochen. Solche Veränderungen sind im organischen Bereich sonst nur nach großen Suchmaschinen‑Updates bekannt – nicht aber durch eigene Maßnahmen eines Unternehmens.
Überraschend ist dabei auch, wie „abgeschnitten“ die Verluste wirken: nicht organisches „Herabsinken“, sondern regelrecht ein Abbruch. Genau deswegen ist die Frage nach der Ursache so spannend.
Spekulationen: Technische Panne oder Strategie?
Niemand weiß derzeit mit Sicherheit, warum Amazon plötzlich komplett aus bestimmten organischen Grids verschwunden ist. Manche Beobachter vermuten, dass die Umstellung auf nur eine Händler-ID unerwartete technische Nebenwirkungen hatte. Andere ziehen die Möglichkeit in Betracht, dass Amazon selbst seine Produktfeeds zurückhält. Ob gezielt oder durch fehlerhafte Implementierung, bleibt offen.
Eine dritte Erklärung wäre, dass Google bewusst Anpassungen am Ranking vorgenommen hat. Firmen wie Amazon nehmen eine Sonderrolle ein – sie dominieren, werfen aber für andere Händler die Frage nach Wettbewerbsgleichheit auf. Es wäre nicht das erste Mal, dass Plattformen ihre eigenen Regeln anpassen, um Vielfalt bei den Anbietern darzustellen. Allerdings ist das bisher reine Spekulation.
Aus meiner Erfahrung würde ich sagen: Bei solch abrupten Entwicklungen liegt die Ursache häufiger im eigenen Haus als bei Google. Das bedeutet: Amazon könnte durch Konsolidierung und interne Datenfehler deutlich stärker eingebrochen sein, als es selbst kalkuliert hatte. Ob sie das bewusst riskiert haben, ist schwer zu sagen.
Auswirkungen auf den Wettbewerb
Für viele kleinere Händler ist diese Entwicklung eine einmalige Gelegenheit. Stell dir vor: Plötzlich werden hunderttausende Plätze auf Googles virtuellen Regalen frei, die bisher von Amazon blockiert waren. Genau das eröffnet Marken, die vielleicht bislang auf Seite zwei oder drei dümpelten, die Chance, ganz vorne aufzutauchen. Für einige könnte es den großen Unterschied machen, ob ihre Artikel überhaupt gefunden werden.
Andererseits darf man Amazons Kraft nicht unterschätzen. Auch mit reduzierter Sichtbarkeit bleibt der Konzern riesig und dominiert weite Teile des Handels. Aber es ist ein Signal: Selbst Giganten können wanken, wenn sie ihre Auftritte im Such-Ökosystem falsch steuern.
Zwischenfazit: kurzfristiger Riss oder langfristige Zäsur?
Die wichtigste Frage ist: Bleibt diese Entwicklung, oder handelt es sich nur um einen Zwischenfall? Momentan sind die Daten eindeutig – Amazon ist verschwunden oder stark reduziert. Ob das so bleibt, werden die kommenden Monate zeigen. Nicht selten korrigieren sich solche Effekte mit etwas Verzögerung. Gerade wenn technische Faktoren im Spiel sind, kann eine kleine Anpassung reichen, und schon tauchen die Produkte wieder auf.
Trotzdem würde ich nicht davon ausgehen, dass alles wieder genauso wird wie zuvor. Selbst eine mehrere Wochen dauernde Abwesenheit reicht, um Konkurrenten mehr Raum zu verschaffen, Klickmuster der Nutzer zu verändern und Googles Algorithmen neu zu konditionieren. Suchmaschinen gewöhnen sich an neue Muster – und wenn Amazon später zurückkehrt, könnte es härter arbeiten müssen, wieder Führungspositionen einzunehmen.
Meine Einschätzung
Wenn ich das Gesamtbild betrachte, ergibt sich für mich folgendes: Amazon wollte durch Vereinfachung und Effizienzsteigerung seine Shops in Google Shopping konsolidieren, hat dabei aber ungewollt ein Ranking-Chaos angerichtet. Möglich, dass es sogar eine Art Testballon war, bewusst die Paid-Strategie zurückzufahren und zu sehen, wie organisch die eigene Marke trägt. Das Ergebnis: deutlich schlechter als gedacht.
Die Lehre für dich und für alle anderen Händler lautet: Sichtbarkeit kann fragiler sein, als man denkt. Kleine strukturelle Änderungen – etwa an Feeds, Kennzeichnungen oder Kampagnen – können Millionen-Effekte auslösen, positiv wie negativ. Amazons Fall ist dafür geradezu ein Musterbeispiel.
Ob Amazon bald zurückkommt oder seine Strategie neu ausrichtet, wird spannend zu beobachten. Für dich als Marketer oder Shop-Betreiber heißt das: Nicht alles starr auf Google ausrichten, sondern eigene Kanäle stärken und jederzeit flexibel auf Verschiebungen reagieren.
Am Ende bleibt dieser überraschende Verlust Amazons vielleicht eine Mahnung: Wer denkt, unantastbar dominant zu sein, lernt oft genau dann, dass Regeln im digitalen Handel alles andere als festgemeißelt sind.














