YouTube Suchmaschine: Verpasstes Potenzial statt AI SEO Hype

Tom Brigl  –

Veröffentlicht:

13.11.2025,

Letzte Aktualisierung:

13.11.2025
Inhaltsverzeichnis

Wenn man sich heute anschaut, wie hektisch Unternehmen versuchen, im Rennen um AI-SEO vorn zu sein, dann bekommt man schnell das Gefühl, dass manche dabei den größeren Spielraum übersehen. In einem Podcast von Ahrefs wurde genau das diskutiert – wie übertriebene Investitionen in KI-basierte Suchstrategien leicht dazu führen können, dass andere, vielleicht sogar wertvollere Marketingchancen auf der Strecke bleiben. Besonders spannend ist, dass diese Diskussion zeigt, wie viel Potenzial in ganz klassischen Kanälen steckt, die längst vor ChatGPT & Co. riesige Wirkung entfalten – etwa YouTube.

YouTube, die vergessene Suchmaschine

Vielleicht überrascht es dich: YouTube ist nach Google selbst die zweitgrößte Suchmaschine der Welt. Kaum ein anderer Ort hat so viele Menschen, die dort täglich gezielt Suchanfragen eintippen. Trotzdem investieren viele Marken lieber riesige Summen, um bei Perplexity oder ChatGPT irgendwie „sichtbar“ zu werden – Plattformen, die im Vergleich zu YouTube winzige Nutzerzahlen haben. Ein sonderbares Missverhältnis.

Patrick Stox brachte es im Gespräch schön auf den Punkt: Während alle über KI-Assistenten sprechen, übersehen viele, wie mächtig und effektiv Video als Kanal längst ist. Für manche Firmen sieht YouTube immer noch aus wie eine reine Unterhaltungsplattform – aber in Wahrheit ist sie längst ein Ort, an dem potenzielle Kundinnen und Kunden sich informieren, vergleichen und Vertrauen aufbauen.

Warum YouTube unterschätzt wird

Wenn ich ehrlich bin, sehe ich dasselbe in vielen Marketingabteilungen: SEO gleich Google. Punkt. Dass YouTube-Suchmaschinenoptimierung inhaltlich und strategisch genauso dazugehört, wird gern vergessen. Doch Menschen suchen dort nach Produktbewertungen, Tutorials und Erklärungen – exakt den Themen, die auch auf der Website behandelt werden. Und das oft mit größerer Wirkung, weil Video Inhalte emotionaler und direkter transportiert.

Patrick Stox hat es klar gesagt: Unternehmen sollten ihre Energie endlich dort einsetzen, wo heute reale Zugkraft existiert. Wer bisher noch keinen Videoplan hat, sollte damit nicht länger warten. In seiner typischen Art meinte er sinngemäß: „Wenn du’s noch nicht machst – fang jetzt an!“

Der Perspektivfehler: Zukunftsfantasien statt Gegenwartschancen

Auch Tim Soulo, CMO von Ahrefs, wunderte sich über den Trend, Chancen zu jagen, die erst in einigen Jahren vielleicht Realität werden. Ja, es ist wichtig, Entwicklungen in der KI-Suche zu beobachten. Aber wenn man ehrlich ist: Heute steckt die größere Chance woanders. Während ChatGPT und Co. kaum messbaren Website-Traffic liefern, kann ein gut gemachter YouTube-Kanal Kundenbindung, Vertrauen und Markenbekanntheit massiv steigern.

Aus seiner Sicht ist das nicht nur eine Frage des Traffics, sondern der Zukunftssicherheit. YouTube wird in fünf Jahren nicht verschwinden. Im Gegenteil – gerade die jüngere Generation wächst mit Bewegtbild auf. Kurze Clips, lange Tutorials, Storytelling in Videostruktur – das ist ihr natürlicher Kommunikationsraum. Wer da als Marke nicht präsent ist, übersieht eine ganze Generation von Käuferinnen und Käufern.

Und seien wir ehrlich: Die Jagd nach sogenannten „AI Rankings“ bringt heute oftmals noch sehr wenig zurück. Man kann sich mit Experimenten in ChatGPT-Ausgaben durchaus befassen, aber die ganzheitliche Sicht aufs Marketing darf darunter nicht verschwinden.

SEO ist kein Allheilmittel

Das bringt uns zu einem weiteren Punkt, den Stox und Soulo im Podcast ansprechen: der überzogenen Erwartung an SEO. Viele Unternehmen glauben, SEO könne jedes Reputationsproblem oder Absatzdefizit beheben. Aber das stimmt einfach nicht. Wenn das Produkt schwach ist oder die Nutzer:innen unzufrieden sind, dann kann keine Optimierung der Welt das Bild langfristig reparieren.

Patrick beschrieb das bildlich: Wenn Tausende Nutzer plötzlich auf Social Media oder Reddit schreiben, dein Produkt sei schlecht – was willst du da ausrichten? Egal wie gut du deine Meta-Beschreibungen strukturierst oder welche Keywords du nutzt – du kämpfst gegen den Strom. Die Stimmung im Netz lässt sich nicht „wegoptimieren“.

Er erzählte, wie schwierig solche Situationen für Marketingabteilungen werden können, wenn Manager in Panik geraten und fordern: „Könnt ihr das bitte einfach ändern?“ – Nein, kann man eben nicht. SEO kann Symptombekämpfung sein, aber keine Wunderwaffe gegen schlechte Unternehmensentscheidungen.

Auch Tim ergänzte, dass sie selbst bei Ahrefs in einer ähnlichen Lage waren: Nach einer Preisanpassung entstand in der Community ein Aufschrei. Obwohl das Team kommunikativ reagierte, erklärt und transparent gemacht hat, warum sie die Preise verändert hatten, blieb der negative Tenor bestehen. Am Ende blieb nur der Weg, auf die Kundschaft zu hören und den Kurs zu korrigieren.

Diese Geschichte zeigt etwas Zentrales: Markenwahrnehmung entsteht längst nicht mehr nur durch klassische Rankingfaktoren – sie entsteht über Erfahrungen, Gespräche, Empfehlungen und ehrliche Interaktion. Das kann keine KI optimieren, kein Algorithmus nachträglich reparieren.

Der wachsende Druck auf SEOs

Interessant ist, dass die Rollenbilder sich verändern. Heute werden Such- und Contentverantwortliche oft auch dazu gedrängt, positive Signale für KI-Systeme zu schaffen – also indirekt dafür zu sorgen, dass ChatGPT die Marke „empfiehlt“. Diese Erwartung ist jedoch gefährlich, weil sie Verantwortung an die falsche Stelle verlagert. Wenn Produktqualität oder Serviceleistung unzureichend sind, nützt es wenig, KI-Erwähnungen zu jagen.

Und genau darin liegt eine der größten Fehleinschätzungen moderner Marketingteams: Sie verwechseln Optimierung mit Notwendigkeit. Eine KI wie ChatGPT „sieht“ das Internet im Rückspiegel – sie greift auf vorhandene Meinungen und Inhalte zu. Wer Menschen langfristig überzeugen will, braucht zuerst echte Qualität und ein solides Markenvertrauen, nicht nur technische Optimierungen.

Video als moderne Kundensuchreise

Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass Video zwischen Information und Emotion eine Brücke schlägt, die reinen Text kaum gelingt. Wenn jemand auf YouTube nach „wie funktioniert XY“ sucht, steht er schon mitten in seiner Customer Journey. Wer dort Antworten liefert, hat einen riesigen Vorsprung.

Natürlich kostet Videoaufbau Zeit. Skripte, Produktion, Schnitt – all das muss gelernt oder eingekauft werden. Aber die Langfristwirkung ist immens. Inhalte, die regelmäßig Mehrwert bieten, schaffen eine Community. Und diese Community wird am Ende auch zur Markenloyalität führen, weit jenseits dessen, was ein einzelnes Suchergebnis leisten kann.

Und YouTube selbst ist mittlerweile zutiefst „suchoptimiert“: gute Thumbnails, präzise Titel, strukturierte Playlists, Timecodes und gute Watchtime – all das beeinflusst die Sichtbarkeit innerhalb der Plattform. SEO-Grundlogik also, nur eben in anderer Form. Vielleicht ist es deshalb so überraschend, dass viele klassische SEOs YouTube-Optimierung immer noch als „nicht ihr Terrain“ betrachten, obwohl dort exakt dieselben Prinzipien wirken: Relevanz, Autorität, Vertrauen.

Neue Balance finden

Wenn man all das zusammennimmt, ergibt sich ein klares Bild: AI-Search sollte in der strategischen Planung nicht ignoriert, aber auch nicht überhöht werden. Die Zukunft gehört jenen, die verschiedene Kanäle verstehen und verbinden können – Text, Video, Community und Feedbackschleifen. Nicht umsonst spricht man inzwischen von „Discoverability“ statt nur von „Rankings“.

Oder einfacher gesagt: Anstatt blind auf neue KI-Funktionen zu reagieren, sollten Unternehmen überlegen, wo ihre Zielgruppen heute tatsächlich suchen und konsumieren. Wenn du einen Dienst, ein Produkt oder Wissen anbietest, dann sind die Chancen groß, dass dein nächster Kunde schon lange auf YouTube unterwegs ist – nicht in einem Chatbot-Fenster.

Fazit – drei Dinge, die du mitnehmen solltest

  • Balance statt Hype: Ja, KI-gestützte Suche ist faszinierend. Aber sie ersetzt keine echte Sichtbarkeit. Konzentriere dich darauf, was sofort Wirkung zeigt – besonders Videoformate.
  • Markenvertrauen ist nicht optimierbar: Wenn Produkte oder Dienstleistungen enttäuschen, hilft kein SEO-Feintuning. Langfristige Sichtbarkeit entsteht aus gelebter Qualität und ehrlicher Kommunikation.
  • Video als strategischer Kern: YouTube ist keine Nebensache, sondern eine Suchlandschaft für sich. Wer das ignoriert,

Tom Brigl

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