In den letzten Monaten hat sich die Art und Weise, wie Google seine AI Overviews bei Suchanfragen einsetzt, spürbar verändert – und zwar in einer Richtung, die man durchaus als „gezielt“ oder sogar „strategisch aggressiv“ bezeichnen könnte. Laut aktuellen Daten von BrightEdge konzentriert sich Google immer stärker auf jene Momente im Kaufprozess, in denen Nutzer nach Informationen, Vergleichen und Bewertungen suchen – also genau dort, wo die Entscheidung vorbereitet wird, aber noch nicht gefallen ist.
Wenn man das Ganze mal aus Marketingsicht betrachtet, hat das weitreichende Folgen. Denn diese Entwicklung zeigt, dass Google die künstliche Intelligenz nicht überall einfach frei laufen lässt, sondern sie dort platziert, wo sie echten Mehrwert schaffen kann. In anderen Worten: AI Overviews sind weniger spontane Helfer, sondern bewusst platzierte Werkzeuge im Entscheidungsprozess.
AI Overviews: Strategische Positionierung entlang des Kaufprozesses
Die Daten aus der BrightEdge-Analyse zeigen, dass Google seine KI gezielt in bestimmten Phasen der „Customer Journey“ nutzt. Besonders auffällig ist, dass AI Overviews bei Suchanfragen auftauchen, wenn die Nutzer noch in der Informations- und Vergleichsphase sind – also typischerweise bei Suchbegriffen wie „bestes Notebook für Studenten“ oder „Samsung vs. LG Fernseher“. Sobald es aber in die transaktionale Phase übergeht, also zu konkreten Absichtsfragen wie „Preis“, „Angebot“ oder „kaufen“, zieht sich die KI zurück. Dort überlässt Google wieder den klassischen Suchergebnissen das Feld.
Das ist clever. So bleibt der Nutzer länger in der Suchumgebung von Google, ohne dass der Konzern in die wirksamen kommerziellen Bereiche eingreift – die ja zum großen Teil durch Werbung finanziert sind. Oder anders gesagt: AI Overviews dienen als Beratungsinstanz, nicht als Verkäufer.
Bemerkenswert ist auch, dass Google im Untersuchungszeitraum (1. September bis 15. Oktober 2025) lediglich rund 30 Prozent der KI-bezogenen Suchbegriffe beibehalten hat. Diese verbliebenen Keywords weisen laut BrightEdge eine deutlich höhere Suchintensität auf als jene, die entfernt wurden. Im Vorjahr war es andersherum. Das lässt darauf schließen, dass Google heute bewusster auswählt – gewissermaßen „kurbelt“ man dort, wo der Impact größer ist.
Mein Eindruck dazu
Wenn man sich diese Dynamik anschaut, könnte man sagen: Google testet seine Schwerpunkte aktiv aus. Ein kurzer, scharfer Anstieg der AI-Integration auf 26 Prozent Mitte September, gefolgt von einem schnellen Rückgang auf 9 Prozent, zeigt deutlich: Google probiert aus, misst und reagiert. Vielleicht spielt das Nutzerverhalten hier eine größere Rolle, als wir annehmen – möglicherweise dient dieses ständige Nachjustieren dazu, zu verstehen, wo Menschen den größten Mehrwert sehen und wann ihnen die KI schlicht zu viel wird.
Ich persönlich glaube, dass Google diese Tests nutzt, um Vertrauen in die KI-Suchergebnisse aufzubauen, bevor sie dauerhaft in bestimmten Bereichen aktiviert wird. Denn die Volatilität ist enorm: Nur 18 Prozent der Suchbegriffe aus 2024 tauchten 2025 wieder in den Overviews auf. Das ist – freundlich ausgedrückt – eine massive Umstrukturierung.
Die Rolle von AI Overviews als „Vergleichsschicht“
Was dabei besonders deutlich wird: Google nutzt die KI nicht, um Produkte zu verkaufen, sondern um Verbindungen und Unterschiede zu erklären. BrightEdge beschreibt AI Overviews als eine Art „Vergleichs- und Bewertungs-Layer“ innerhalb der Suchergebnisse.
Das macht Sinn. Wenn jemand nach „bester Staubsauger für Allergiker“ sucht, möchte er nicht gleich auf eine Produktseite – er will verstehen, warum ein Modell geeignet ist. Genau hier kann die KI glänzen: Sie bündelt Informationen, strukturiert sie verständlich und verkürzt damit die Zeit von der Informationssuche bis zur Entscheidungsfindung.
Ab dem Moment, in dem der Nutzer aber mit klarer Kaufabsicht sucht („Dyson V15 kaufen“), ist die KI eher hinderlich. Dann geht es weniger um Inhalt, sondern um Transaktion – und hier dominiert der klassische Algorithmus.
Wie stark sich die Wirkung je nach Branche unterscheidet
Spannend finde ich auch den Teil der Analyse, der sich mit den einzelnen Produktkategorien befasst. Dort zeigt sich: Nicht überall hat die KI den gleichen Stellenwert. In Bereichen wie Lebensmitteleinkauf, Unterhaltungselektronik oder kleinen Haushaltsgeräten bleibt der Anteil an AI Overviews hoch. Diese Produkte erfordern meist Erklärungen oder Vergleiche – Dinge, die sich wunderbar über Text abbilden lassen.
Anders sieht es in visuell oder haptisch geprägten Kategorien aus – Möbel, Dekoration oder Mode zum Beispiel. Hier zählt das Bild, nicht der Text. BrightEdge erklärt, dass Google seine KI in solchen Fällen eher zurücknimmt, weil der Mehrwert geringer ist. Die Faustregel scheint also zu lauten: Je erklärungsbedürftiger das Produkt, desto sichtbarer die KI.
Interessant ist auch die Filterlogik, mit der Google arbeitet: Von den beibehaltenen Begriffen sind etwa 25–30 Prozent auf Vergleich oder Bewertung ausgerichtet („beste“, „vs.“, „Empfehlung“ usw.). Preis- oder Transaktionsbegriffe hingegen werden systematisch ausgeschlossen. Das spricht dafür, dass Google sehr genau überprüft, in welchen Phasen die Nutzer KI-Unterstützung als hilfreich erleben.
Der Einfluss der Jahreszeit auf die KI-Sichtbarkeit
Ein besonders cleverer Aspekt der Studie ist der Blick auf den zeitlichen Verlauf. BrightEdge untersuchte die Aktivität über die Weihnachtssaison hinweg – und da passiert etwas Interessantes: Im November, wenn Menschen anfangen zu recherchieren, ist die AI-Quote am höchsten. Im Verlauf des Dezembers verschiebt sich das Verhältnis zunehmend in Richtung klassischer Suchergebnisse.
Das passt zu unserem gewohnten Kaufverhalten. Anfang November bist du noch dabei, Möglichkeiten zu vergleichen, Testberichte zu lesen, Optionen zu prüfen. Anfang Dezember hast du meist schon Favoriten und suchst nur noch den besten Preis. Kurz vor Weihnachten willst du schlicht kaufen. Und genau das scheint Google verstanden zu haben.
In dieser Logik verändert sich die Rolle der KI auch zeitlich:
- November: Die KI wird zur Informationsquelle – Nutzer entdecken neue Produkte oder lernen, worauf sie achten sollten.
- Früher Dezember: AI Overviews liefern vor allem Vergleiche – also „Modell A oder B?“
- Später Dezember: Die KI tritt in den Hintergrund, klassische Produktsuchen übernehmen.
Für Marken heißt das, dass sie den Veröffentlichungsrhythmus ihres Contents gut timen sollten. Vergleichstabellen oder erklärende Produktartikel müssen idealerweise spätestens im Herbst gut indexiert sein, damit sie in dieser Phase von Googles KI erfasst werden können. Wer erst zum Weihnachtsgeschäft reagiert, kommt zu spät.
Praktischer Tipp aus Erfahrung
Ich habe ähnliche Muster auch bei Projektkunden gesehen: Artikel, die früh im Rechercheprozess auftauchen („was ist“, „wie funktioniert“, „beste Wahl“) verzeichnen überproportional hohe Impressionen in der KI-Phase. Inhalte, die auf den Kaufabschluss setzen („jetzt bestellen“), profitieren dagegen kaum von den Overviews. Es lohnt sich also, gezielt eine Trennung im Content vorzunehmen: Information und Bildung zuerst, Transaktion später.
Was diese Daten für Marken und Content-Strategen bedeuten
Wenn man das zusammenfasst, ergibt sich ein klares Bild: AI Overviews leben vom Nutzerinteresse an Orientierung. Marken, die in dieser Phase mit relevanter, sachlicher und strukturiert aufbereiteter Information präsent sind, haben deutlich höhere Chancen, in der KI dargestellt zu werden.
BrightEdge empfiehlt deshalb, die eigene Inhaltsstrategie in zwei Richtungen zu denken:
- Recherche- und Bewertungsphase: Inhalte liefern, die vergleichen, erklären und empfehlen – am besten neutral formuliert und mit klaren Zusatznutzen. Das ist die Phase, in der AI Overviews den größten Einfluss haben.
- Kaufphase: Hier liegt der Fokus auf klassischer SEO, Produktseiten, und Preisgestaltung. Diese Inhalte spielen weiterhin stärker in den regulären Suchergebnissen.
Zusätzlich sollte jedes Unternehmen seine Kategorien regelmäßig beobachten. Wie häufig zeigt Google AI Overviews zu bestimmten Themen? Wie verändern sich die Keyword-Muster? Nur wer hier flexibel reagiert, bleibt sichtbar – denn mit einer Konstanz von gerade mal 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr sind langfristig stabile Rankings unwahrscheinlich.
Aus meiner Sicht ist diese Erkenntnis weniger beunruh














