Einleitung
Immer wieder erlebe ich in Gesprächen mit Marketing-Teams ein ähnliches Phänomen: Wir lieben Daten, Funnels, klare Zusammenhänge. Wir wollen verstehen, woher Besucher kommen, wie sie mit Inhalten interagieren und warum sie am Ende konvertieren. Doch mit der wachsenden Rolle von KI-gestützten Sucherlebnissen – etwa bei ChatGPT, Perplexity oder Googles AI Overviews – betreten wir einen zunehmend dunklen Raum. Der bisher so sauber strukturierte Verkaufstrichter wird undurchsichtig. Kaum jemand weiß wirklich, wie, wann oder warum eine Marke dort auftaucht.
Was wir dagegen haben, ist strukturierte Daten – also maschinenlesbare Informationen, die es Suchmaschinen und KI-Systemen erleichtern, Inhalte zu verstehen. Genau hier beginnt der Kern dieser Überlegungen: Was wissen wir über die Wirkung strukturierter Daten? Und was bleibt bisher reine Vermutung?
Der blinde Fleck im Zeitalter der KI-Metriken
Wenn du schon einmal versucht hast, die Sichtbarkeit deiner Marke in ChatGPT oder Perplexity zu messen, weißt du wahrscheinlich, wie frustrierend das ist. Viele Tools versprechen zwar neue Kennzahlen wie „AI Visibility Score“ oder „Markenautorität im KI-Ökosystem“, doch seien wir ehrlich – diese Werte sind bestenfalls Schätzungen, oft aber reine Fantasieprodukte.
Ein Beispiel: Einige Anbieter versuchen, sogenannte „AI Prompts“ zu erfassen, indem sie traditionelle Suchbegriffe („SEO Trends 2025“ zum Beispiel) als Prompt interpretieren. Doch die Realität sieht anders aus. Nutzer schreiben in ChatGPT viel längere, dialogartige Fragen, manchmal ganze Absätze mit Kontext. Eine einfache Keyword-Abfrage kann das nicht abbilden. Es ist, als würdest du ein Gespräch auf einen einzigen Satz reduzieren – dabei lebt gerade KI-Interaktion von Kontext und Bedeutung.
Kurz gesagt: Wir sehen viele neue Zahlen, aber nur wenige davon halten einer kritischen Prüfung stand. Das Einzige, das wirklich konstant und messbar bleibt, ist strukturierte Daten – also die Sprache, mit der wir Maschinen erklären, was unsere Inhalte bedeuten.
Was KI-Sichtbarkeit eigentlich bedeutet
Früher war Sichtbarkeit im SEO klar definiert: Wer auf Seite eins der Suchergebnisse stand, hatte gewonnen. Doch im KI-Zeitalter geht es weniger um Ranking, sondern um Verstehen.
Eine Marke ist dann sichtbar, wenn sie von Such- und KI-Systemen als vertrauenswürdig, relevant und semantisch eindeutig wahrgenommen wird.
Hier spielt strukturierte Daten eine zentrale Rolle. Sie machen Informationen maschinenlesbar, verbinden Entitäten (also „Dinge“ wie Unternehmen, Produkte oder Orte) miteinander und schaffen damit ein Netzwerk aus Bedeutung. Dieses Netzwerk – oft auch Knowledge Graph genannt – bildet die Grundlage für das, was KI-Systeme verstehen und wiedergeben können.
Das Bekannte: Was wir heute sicher messen können
Hier kommt die gute Nachricht: Es gibt Bereiche, in denen die Wirkung strukturierter Daten sehr klar ist. Aus der Praxis lassen sich drei Hauptvorteile ableiten: höhere Klickzahlen, mehr nicht-markenbezogener Traffic und wachsende Präsenz in KI-gestützten Suchergebnissen.
1. Mehr Klicks durch Rich Results
Wenn du sauberes Schema-Markup einsetzt – also strukturierte Daten nach Googles Vorgaben –, steigt die Chance, dass deine Inhalte als sogenanntes „Rich Result“ erscheinen. Das sind die auffälligen Resultate mit Bewertungen, Produktinformationen oder FAQ-Elementen.
Beispielsweise konnte in einer Untersuchung eines großen Haushaltsgeräte-Herstellers der Klick‑durch‑Satz um bis zu 300 % steigen, sobald Google ein Produkt-Rich-Result anzeigte. Warum? Weil visuell differenzierte Ergebnisse das Vertrauen stärken und mehr Aufmerksamkeit anziehen – besonders auf mobilen Geräten.
Je nach Branche kann der Effekt stark variieren, aber das Prinzip bleibt: strukturierte Daten verbessern nicht nur die Darstellung in Suchmaschinen, sondern auch das Nutzererlebnis.
Fazit: Wenn du Schema-Markup richtig einsetzt, erhältst du messbare Conversion-Vorteile – und das ist handfeste SEO-Wirkung.
2. Mehr nicht‑markenbezogener Traffic durch Entitäten
Viele Unternehmen machen den Fehler, Schema-Markup nur oberflächlich einzusetzen. Sie beschreiben, was auf der Seite steht, aber verknüpfen die Informationen nicht weiter. Erst durch sogenannte Entity Linking entsteht echter Kontext.
Ein Beispiel aus dem Gesundheitsbereich:
Du hast eine Seite über einen Arzt. Ohne Entity Linking weiß Google nur, dass dort ein Arzt beschrieben wird. Mit semantischer Verknüpfung erkennt das System, dass dieser Arzt im Fachgebiet Kardiologie tätig ist, in einem bestimmten Krankenhaus arbeitet und mit entsprechenden medizinischen Leistungen zusammenhängt.
Indem du deine eigenen Inhalte mit externen Wissensquellen wie Wikidata oder Google Knowledge Graph verbindest, schaffst du ein Netzwerk, das KI-Systeme leicht verstehen können. Außerdem begünstigt das nicht‑markenbezogene Suchanfragen – also Nutzer, die eher generisch nach „Kardiologe in München“ suchen, anstatt gezielt nach einer Praxismarke.
In meinen Projekten habe ich erlebt, wie durch diese Art von semantischer Optimierung die organische Reichweite deutlich breiter wurde. Du wirst also nicht nur sichtbarer, du wirst auch unter anderen Suchintentionen gefunden.
3. Erste erkennbare Signale in KI‑Overviews
Langsam, aber sicher zeigen sich erste Verknüpfungen zwischen strukturierter Datenqualität und Erwähnungen in KI-generierten Antworten (AIO – AI Overviews).
Zwar liefern weder Google noch OpenAI klare Metriken, aber Analysen deuten darauf hin, dass Inhalte gut strukturierter Marken dreimal häufiger in KI-Antworten vorkommen.
BrightEdge hat das in einem Branchenbericht bestätigt: Systeme bevorzugen Inhalte aus vertrauenswürdigen, entitätsbasierten Quellen. Kurz: Wer ordentlich strukturierte Daten pflegt, wird von KI-Systemen wahrscheinlicher zitiert.
Das Unbekannte: Wo wir noch im Nebel stochern
So spannend diese Entwicklungen auch sind, es bleibt eine lange Liste offener Fragen.
Wir wissen noch nicht genau, wie KI-Modelle strukturierte Daten wirklich nutzen. Bewiesen ist bisher nur, dass sie sie lesen können und dass Suchmaschinen wie Google oder Bing sie aktiv empfehlen.
Aber ob ChatGPT beispielsweise direkt Schema.org-Markup in seine Antwortlogik integriert – das bleibt Spekulation.
Was große Player über Schema-Markup verraten
Interessant sind hier Einblicke von Microsoft und Google selbst.
Im Herbst 2025 erklärte ein leitender Produktmanager von Bing in einem Beitrag, dass Inhalte leichter in KI-Antworten erscheinen, wenn sie „strukturierte, maschinenverständliche Formate“ nutzen. Auch Google betont in seinen offiziellen Entwicklerrichtlinien, dass strukturierte Daten essenziell sind, um Inhalte für KI-Systeme verwertbar zu machen.
Das lässt zwei Schlüsse zu:
Einerseits hilft Schema-Markup bereits jetzt, semantische Verbindungen aufzubauen. Andererseits arbeiten die Unternehmen daran, diese Signale künftig noch direkter in KI-Systeme einzuspeisen.
Spannend finde ich in diesem Zusammenhang die Forschung rund um Knowledge Graph RAG (Retrieval-Augmented Generation). Dabei werden große Sprachmodelle mit strukturierten Wissensgraphen kombiniert, um Fehlinterpretationen – die berühmten „KI‑Halluzinationen“ – zu vermeiden. Studien belegen, dass diese Kombination präzisere, kontextstärkere Antworten liefert. Es ist also naheliegend, dass Suchmaschinen strukturierten Daten künftig noch mehr Gewicht verleihen.
Vom Seiten‑SEO zum Wissensnetzwerk
Viele Marketingteams denken noch in Einzelseiten. Doch in der Welt der KI‑Suche zählt nicht mehr nur, dass eine Seite gut optimiert ist. Stattdessen geht es um kohärente Wissenssysteme. Wenn eine Anfrage – etwa „Was ist nachhaltige Mobilität?“ – gestellt wird, zerlegt eine KI diese Frage in viele kleine Teilfragen. Sie braucht dann Quellen, die logisch verknüpft sind und kontextuell passen.
Das erreichst du nur, wenn dein gesamter Content über ein semantisches Fundament verbunden ist. Dieses Fundament kann ein unternehmensinterner Knowledge Graph sein, gespeist aus Schema‑Daten, Verlinkungen und Metainformationen.
Die Entwicklung geht also klar vom klassischen SEO hin zum Daten‑SEO.
Die Wiedergeburt der semantischen Vision
Im Grunde erleben wir gerade die Erfüllung einer alten Idee: die des „semantischen Webs“. Schon 2001 beschrieben Tim Berners‑Lee und Kollegen dieses Konzept – eine Welt, in der Maschinen Inhalte semantisch verstehen, nicht nur lesen.
Heute, fast 25 Jahre später, wird diese Vision Realität. KI‑Systeme interpretieren Inhalte, führen Aufgaben aus, verbinden Konzepte – und strukturierte Daten sind die Brücke zwischen menschlicher Sprache und maschinellem Verstehen.
Microsoft treibt dieses Konzept weiter mit NLWeb voran – einem offenen Projekt, das Websites direkt in ansprechbare KI‑Schnittstellen verwandeln soll. Die Idee: Nutzer














