KI beschleunigt Marketing doch Vertrauen bleibt ungeschlagen

Tom Brigl  –

Veröffentlicht:

02.12.2025,

Letzte Aktualisierung:

02.12.2025
Inhaltsverzeichnis

Wenn man sich ansieht, wie sich das Marketing-Ökosystem in den letzten Jahren verändert hat, dann ist es leicht, der Versuchung zu erliegen, künstlicher Intelligenz (KI) die Schuld – oder das Verdienst – für alles zuzuschreiben. Doch ehrlich gesagt: Diese Entwicklungen waren längst im Gange, bevor ChatGPT und Co. ihren Durchbruch erlebten. KI hat die Dynamik vielleicht beschleunigt, aber sie ist nicht der Auslöser. Sie ist der Spiegel einer Bewegung, die schon lange unter der Oberfläche brodelte – die langsame, aber stetige Verschiebung hin zu einem stärker vernetzten, plattformübergreifenden, menschenzentrierten Marketing.

Menschen, Plattformen und Vertrauen

Schau dich um: Reddit erlebt eine Wiedergeburt, weil Nutzer echten Austausch suchen. Die Creator Economy boomt, weil Menschen anderen Menschen glauben – nicht anonymen Marken. Und obwohl das Netz von Daten, Klicks und Algorithmen durchzogen ist, ändert sich daran nichts Grundsätzliches: Vertrauen bleibt die wertvollste Währung. Menschen folgen Menschen, nicht Maschinen. Sie teilen Geschichten, nicht Ads. Sie reagieren auf Authentizität, nicht auf Perfektion.

Diese Entwicklung – hin zu Communities, Empfehlungen und persönlicher Relevanz – läuft schon seit langer Zeit. KI hat sie nur sichtbarer gemacht. Sie offenbart die Brüche in einem System, das wir vielleicht zu sehr auf lineare Prozesse und Kennzahlen reduziert haben. Denn letzten Endes geht es nicht einfach um „Traffic“ oder „CTR“. Es geht um emotionale Resonanz, echtem Mehrwert und um Marken, die verstanden werden wollen – nicht nur gefunden.

Die Realität hinter dem Hype

Natürlich hat KI ihren Platz. Sie hilft, Zusammenhänge zu erkennen, Muster zu verstehen, Themen zu strukturieren. Aber sie ist in erster Linie ein Verstärker – kein Wundermittel. Wer schlechte Fragen stellt, wird weiterhin schlechte Antworten bekommen. Und wer Marke und Zielgruppe nicht wirklich versteht, kann noch so viel automatisieren – relevant wird es dadurch nicht.

Der neue, alte Weg des Kunden

Die sogenannte „Customer Journey“ hat sich längst fragmentiert. Früher konnte man sie zeichnen: Aufmerksamkeit, Interesse, Kaufwunsch, Handlung. Heute ist sie ein Chaos aus Berührungspunkten. Menschen entdecken Produkte zufällig auf TikTok, vergleichen sie auf Reddit, schauen sich Rezensionen auf YouTube an und kaufen schließlich über Amazon oder direkt beim Hersteller. Wenn man dann nur „letzte Klicks“ analysiert, sieht man kaum etwas von der wahren Wirklichkeit. Der Kaufimpuls entsteht meist viel früher – in Momenten, die in keiner Statistik auftauchen.

Insofern ist das oft zitierte Ende des klassischen Funnels keine Katastrophe, sondern eher eine Befreiung. Es zwingt Marketingleute dazu, neu zu denken: Wen will ich wirklich antreffen? In welchem Moment? Und mit welcher Art von Botschaft, die im Strom des Digitalen nicht sofort untergeht?

Plattformen: vernetzt, zersplittert, menschlicher

Der Anteil der Google-Suche an Informationsreisen sinkt kontinuierlich. YouTube, TikTok und Instagram übernehmen weite Teile der Entdeckungsphase. Und das ist logisch: Das Netz ist – wieder einmal – visuell geworden. Emotion zieht. Bewegtbild funktioniert, wenn es echt wirkt. Suchmaschinen spielen eher am Ende eine Rolle – dort, wo Menschen sich vergewissern, nicht dort, wo sie inspiriert werden. KI, die diesen Prozess versteht, ist hilfreich. Aber KI wird kein Vertrauen schaffen, kein Gefühl vermitteln, keine echte Begeisterung. Dafür braucht es Menschen und Relevanz.

Warum KI nur eine Etappe ist

Verhaltensänderungen entstehen nicht durch Technologie, sondern durch neue Möglichkeiten, alte Bedürfnisse zu erfüllen. Menschen wollen Orientierung, Abkürzungen, Bestätigung. Und KI passt perfekt in dieses Muster: Sie scheint Dinge zu vereinfachen, sie „weiß alles“. Gleichzeitig untergräbt sie das, was sie verspricht – weil sie oft halluziniert, weil sie abstrahiert, statt zu fühlen. Marken, die das verstehen, kombinieren beides: technische Effizienz mit menschlicher Tiefe.

Das bedeutet, sich auf neue Spielregeln einzulassen. Die Zeit der reinen Suchmaschinenoptimierung im engeren Sinne ist vorbei. Es geht um Erkenntnis-Ökosysteme – wie Inhalte, Menschen und Plattformen ineinandergreifen. Die Kunst liegt darin, herauszufinden, wo du wahrgenommen wirst, warum du glaubwürdig bist und wer dich „weiterträgt“. KI kann messen, aber sie kann nicht fühlen. Sie ersetzt nicht das Gespür dafür, wann ein Thema für jemanden etwas bedeutet.

Beispiel aus der Praxis

Ich erinnere mich an ein Projekt, bei dem wir monatelang an Texten, Keywords und Landingpages gefeilt haben – alles perfekt optimiert, sogar maschinell unterstützt. Doch erst, als wir echte Creator eingebunden und ihre Geschichten erzählt haben, explodierten die Zahlen. Und noch wichtiger: Die Marke wurde plötzlich sympathisch wahrgenommen. Das hatte nichts mit der neuesten KI-Funktion zu tun, sondern mit Empathie und Mut, anders zu kommunizieren.

Fragmentierte Aufmerksamkeit, geteilte Verantwortung

Social Media ist zugleich Segen und Fluch: Der Zugang zu Publikum war nie so einfach, die Aufmerksamkeitsspanne nie so gering. Viele Plattformen leiden längst an dem, was man scherzhaft „Enshittification“ nennt – zu viel Werbung, zu viel generierte Inhalte, zu wenig Respekt gegenüber Nutzern. Die Folge: Menschen wenden sich ab, oder sie filtern radikal. Nur das, was wirklich resonant ist, überlebt. Und genau hier schlägt die Stunde der Marken mit Haltung.

Es wird wieder wichtiger, sich klar zu positionieren, nicht jedem Trend hinterherzurennen. Statt jeden Tag zehn KI-generierte Posts zu veröffentlichen, lieber eine Geschichte erzählen, die hängen bleibt. Weniger Streuung, mehr Bedeutung. Hierbei ist KI ein Werkzeug, das Strukturen liefert – aber der Ton, das Gefühl, der Kontext bleiben menschlich.

Kanal für Kanal: eine grobe Orientierung

SEO im Wandel

Suchmaschinenoptimierung lebt weiter, aber anders. Sie wird datengetriebener, strategischer, integrativer. Inhalte müssen kontextuell überzeugen – nicht nur algorithmisch. Wer sich auf reine Textproduktion per KI verlässt, wird verlieren, weil das Netz bald überflutet ist von beliebigem Zeug. Der Wert liegt in der originellen Perspektive, im konkreten Nutzen – etwas, das sich nicht automatisieren lässt.

PPC und Paid Media

Bezahlte Werbung ist teurer und riskanter geworden. Automatisierung hilft zwar bei der Steuerung, aber die Kosten pro Akquise steigen, sobald Aufmerksamkeit knapper wird. Hier müssen Marken kreativer denken: Wie kann organische Reichweite die bezahlte ergänzen? Wie schaffe ich Relevanz, bevor ich Geld ausgebe?

Social und Community

Soziale Medien wandeln sich zu fragmentierten Räumen – Subreddits, Discord-Server, Gruppen. Dort entstehen wertvolle Mikro-Öffentlichkeiten, die ehrlicher sind als Reichweitenmetriken. Erfolgreiches Marketing bedeutet heute, dort präsent zu sein, wo die Gespräche stattfinden. Community ist das neue Reichweitenziel.

Was du konkret tun kannst

  • Definiere deine Marke nicht über Tools, sondern über Perspektive und Werte.
  • Arbeite mit Menschen, die etwas zu sagen haben – Content Creators, Partner, Teams.
  • Nutze KI zum Strukturieren, Recherchieren, Optimieren – aber lass sie nicht schreiben, was du fühlst.
  • Denk vernetzt: SEO, Social, Newsletter, Events – sie ergänzen sich, wenn du sie auf dieselbe Idee ausrichtest.
  • Miss Erfolg nicht nur an Klicks, sondern an Loyalität, an Rückmeldungen, an Glaubwürdigkeit.

Owned, Earned, Paid – die Balance neu lernen

Je instabiler und teurer Paid Media wird, desto wichtiger werden owned und earned Channels: deine Website, dein Newsletter, deine Community. Sie sind die stabilen Pfeiler, auf denen du Vertrauen aufbauen kannst. KI kann helfen, Inhalte zu personalisieren und Workflows zu verschlanken – aber sie ersetzt kein echtes Verständnis für dein Publikum. Die stärksten Marken der Zukunft werden diejenigen sein, die direkt mit ihrer Zielgruppe kommunizieren können, ohne jede Woche neue Metriken jagen zu müssen.

Fazit

KI ist gekommen, um zu bleiben. Aber sie ist nicht der Motor des Wandels – sie hat nur die Scheinwerfer angeschaltet. Der wahre Wandel passiert im Kopf: beim Publikum, das kritischer geworden ist

Tom Brigl

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