EU ermittelt gegen Google: Kampf um Suchqualität

Tom Brigl  –

Veröffentlicht:

16.11.2025,

Letzte Aktualisierung:

16.11.2025
Inhaltsverzeichnis

Google hat entschieden, sich klar gegen die aktuellen Vorwürfe der Europäischen Kommission zu stellen. Hintergrund ist eine neue Untersuchung im Rahmen des Digital Markets Act (DMA), die prüfen soll, ob Googles Maßnahmen gegen sogenanntes „Parasite SEO“ und missbräuchliche Seitenreputation unfair gegenüber Verlagen seien. Innerhalb von Stunden nach der EU-Ankündigung veröffentlichte Google eine Verteidigung, die man als fast schon trotzig bezeichnen könnte: Man schütze keine Marktanteile – sondern die Qualität der Suchergebnisse und damit letztlich die Nutzer.

Was eigentlich passiert ist

Vor wenigen Tagen kündigte die Europäische Kommission eine formelle Untersuchung an. Der Vorwurf: Google könnte mit seiner neuen Spam-Politik legitime Geschäftsmodelle von Nachrichtenseiten benachteiligen, deren Content auch werbefinanzierte oder gesponserte Beiträge enthält. Laut EU-Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera bestehe die Sorge, dass Google seine Macht als Suchmaschinen-Gatekeeper missbrauche, um bestimmte Publikationen schlechter zu platzieren. Eine faire und diskriminierungsfreie Behandlung der Inhalte sei nicht gewährleistet.

Auf den Punkt gebracht: Die Regulierer vermuten, dass Googles Anti-Spam-Mechanismen zu weit gehen – und Journalismus treffen, der eigentlich legitim ist. Gleichzeitig haben sich viele Publisher darüber beklagt, dass ihre Reichweite eingebrochen sei, seit Google 2024 härter gegen sogenannte Parasite-SEO-Inhalte vorgeht. Diese Praxis bezeichnet die Veröffentlichung externer Werbe- oder Affiliate-Artikel auf eigentlich seriösen Domains, um Suchranking-Signale auszunutzen. Typische Beispiele: ein Glücksspielvergleich auf einer Gesundheitsseite oder ein Kreditartikel auf einer Uni-Website.

Wie Google darauf reagiert hat

In einem offiziellen Blogpost meldete sich Pandu Nayak, Chief Scientist für Suche bei Google, zu Wort. Er nennt die EU-Untersuchung „fehlgeleitet“ und warnt, sie gefährde die Interessen von Millionen europäischer Nutzer. Denn wenn Google Spam-Strategien nicht mehr konsequent bekämpfen könne, „würden schlechte Akteure belohnt und die Qualität der Suche massiv leiden“ – so Nayak.

Interessant ist, dass Google diesen Schritt offensichtlich vorbereitet hatte. Bereits 2024 hatte man die „Site Reputation Abuse“-Richtlinie eingeführt und dazugeschrieben, dass Verstöße manuell geprüft und sanktioniert würden. Noch gibt es keine automatischen, algorithmischen Strafen – alles läuft über menschliche Prüfer. Betroffen waren namhafte Medien wie Forbes, Time Magazin oder CNN, deren Partnerseiten plötzlich abgestraft wurden.

Googles Verteidigung ruht auf drei zentralen Säulen:

  • Rechtliche Grundlage: Ein deutsches Gericht habe einen ähnlichen Streit bereits abgewiesen. Dort entschied man, dass Googles Richtlinie legitim, sachlich begründet und konsistent angewendet werde. Dieses Urteil nutzt der Konzern jetzt als Präzedenz, um der EU zu zeigen: Wir handeln rechtmäßig und neutral.
  • Nutzerschutz: Ohne diese Policy würde, so Google, eine Welle manipulativer Inhalte die Suchergebnisse überschwemmen – von betrügerischen Krediten bis hin zu dubiosen Heilversprechen. Die Richtlinie diene also dem Schutz der Nutzer vor Falschinformationen und betrügerischem SEO-Verhalten.
  • Chancengleichheit: Laut Google unterstützt die Maßnahme kleinere, unabhängige Webseiten, die mit ehrlichem Content punkten wollen. Wenn große Medienhäuser Paid-Content nutzen, um SEO-Signale ihrer Domain zu verkaufen, könnten ehrliche Wettbewerber kaum mithalten.

Aus meiner Sicht ist genau dieser dritte Punkt spannend – denn er rührt an einen komischen Widerspruch: Google war lange das Ökosystem, das solche Geschäftsmodelle überhaupt ermöglicht hat. Und jetzt, wo das Problem sichtbar wird, zieht man die Bremse. Es ist also schwierig, Moralpredigten ohne Selbstreflexion ernst zu nehmen.

Der Konflikt zwischen Suchqualität und Medienökonomie

Die EU möchte offensichtlich prüfen, ob Google Grenzen überschreitet, wenn es wirtschaftliche Modelle von Verlagen bewertet. Denn viele Häuser sind in einem existenziellen Dilemma: Anzeigenumsätze sinken, Paywalls schrecken Nutzer ab – also werden Sponsored-Content-Kooperationen zu einer Überlebensstrategie. Wenn Google genau diese Inhalte als „parasitäres SEO-Verhalten“ einstuft, trifft das Medien zufällig dort, wo sie am verwundbarsten sind.

Spannend ist dabei die Abgrenzung: Wann ist gesponserter Content nützlich und wann manipulativ? Google sagt, nur wenn ein Beitrag „hauptsächlich zur Ausnutzung bestehender Rankings“ veröffentlicht wird, gilt er als Missbrauch. Doch in der Praxis kann das eine feine Linie sein. Ein sauber gekennzeichneter Partnerartikel, der werblich, aber redaktionell verifiziert ist – zieht der auch eine Strafe nach sich? Genau das müssen die Ermittler jetzt prüfen.

Für viele Publisher erinnert das an das alte Problem, dass Google zugleich Schiedsrichter und Spielfeld ist: Es kontrolliert, was sichtbar ist, und bestimmt damit indirekt, welche Geschäftsmodelle funktionieren. Daher liegt in der DMA-Ermittlung auch ein grundsätzlicher Macht-Check – weniger über Spam, sondern über die Frage, wie viel ökonomischen Spielraum Google den Medien überhaupt lässt.

Rechtlicher und wirtschaftlicher Ausblick

Die EU-Kommission wird Beweise sammeln, betroffene Publisher anhören und schließlich eine sogenannte „Statement of Objections“ an Google richten – eine Art formale Liste der mutmaßlichen Verstöße. Der Konzern bekommt dann Gelegenheit zur Stellungnahme. Anders als klassische Kartellverfahren sind DMA-Untersuchungen auf schnellere Entscheidungen ausgelegt – mit klaren Fristen und potenziellen Geldbußen bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes.

Natürlich steht aber viel mehr auf dem Spiel als eine Strafe. Sollte die EU Googles Vorgehen als diskriminierend einstufen, müsste der Konzern seine Spam-Erkennung für Europa umprogrammieren – oder sogar manche Richtlinien lockern. Das wiederum könnte echte Manipulationen zurück in die Suchergebnisse holen. Eine lose-lose-Situation für alle Beteiligten, möchte man sagen.

Übrigens hat Google inzwischen klargemacht, dass ordnungsgemäß gekennzeichnete Affiliate- oder Partnerinhalte nicht automatisch bestraft werden. Webseiten, die dennoch sanktioniert wurden, können über die Search Console eine Überprüfung beantragen. Auch das ist typisch Google: Die Regeln wirken auf den ersten Blick hart, aber sie lassen Hintertüren offen – nur muss man eben wissen, wie man sie nutzt.

Ein kleiner Seitenblick: Europa und die neue Machtbalance

Interessanterweise fügt sich dieser Streit in ein größeres Bild: Der Digital Markets Act zwingt Plattformriesen erstmals dazu, sich gegenüber Dritten transparenter zu verhalten – von App Stores bis Suchmaschinen. Dass Google den DMA nun als „übermotiviert“ bezeichnet, überrascht nicht. Viele in der Tech-Welt sehen die Regulierung als übergriffig; andere wiederum halten sie für überfällig.

Ich sehe darin einen notwendigen Reibungsprozess. Jahrzehntelang konnte Google autonom entscheiden, was „Qualität“ bedeutet – nun mischen sich Regulierer ein. Das mag unbequem sein, aber ohne diese Checks & Balances entwickelt sich kein gesundes digitales Ökosystem. Vielleicht hilft diese Untersuchung sogar dabei, den Spannungsbogen zwischen Journalismus und Suchalgorithmen endlich sauberer auszutarieren.

Was als Nächstes kommen dürfte

In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob die EU Beweise für Diskriminierung findet. Sollte das Verfahren weitergehen, müssen auch große Medienhäuser ihre Zahlen und Partnerschaften offenlegen: Wie viel ihres Traffics kam tatsächlich aus Paid-Inhalten? Wie stark brachen Rankings nach den Google-Penalties ein? Diese Daten könnten die Debatte sachlicher machen.

Gleichzeitig arbeitet Google intern an einer automatisierten Erkennung für Seitenreputation – allerdings noch nicht im Live-Betrieb. Sollte Europa die Regeln lockern, könnte diese Technik aufgeschoben oder angepasst werden. Forschende im SEO-Bereich rechnen deshalb mit einem Jahr hoher Unsicherheit, in dem sich Website-Betreiber defensiver positionieren werden.

Mein persönliches Fazit

Wenn man das alles nüchtern betrachtet, spiegelt diese Auseinandersetzung den Kern des modernen SEO: Es ist weniger eine Frage technischer Tricks, sondern eine des Vertrauens. Google ringt darum, den Spagat zwischen offenen Märkten und Qualitätskontrolle zu schaffen. Die EU wiederum versucht, Monopoltendenzen zu korrigieren, ohne Innovation abzuwürgen.

Ob das gelingt? Schwer zu sagen. Ich glaube, die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte: Ja, Parasite-SEO zerstört Suchqualität. Aber nein, nicht jede Kooperation zwischen Medien und Marken ist Spam. Es bleibt eine

Tom Brigl

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