Digital Omnibus: EU senkt Bürokratie steigert KI Innovationskraft

Tom Brigl  –

Veröffentlicht:

29.11.2025,

Letzte Aktualisierung:

29.11.2025
Inhaltsverzeichnis

Europa steht vor einem bemerkenswerten Wendepunkt in seiner Digital- und Datenschutzpolitik. Ein neues Gesetzespaket der Europäischen Kommission, das sogenannte „Digital Omnibus“, soll die komplexen Datenschutzvorschriften rund um die GDPR (Datenschutz-Grundverordnung), den AI Act (Gesetz über Künstliche Intelligenz) sowie die Cookie-Regeln grundlegend vereinfachen. Das Ziel: weniger Bürokratie, mehr Wettbewerbsfähigkeit und eine praxisnähere Handhabung für Unternehmen, ohne den Verbraucherschutz völlig über Bord zu werfen. Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail – besonders wenn es um KI-Training und Datenschutzrechte geht.

Wenn du also in irgendeiner Form mit EU-Traffic arbeitest, Daten für Analysen nutzt oder AI-Modelle trainierst, lohnt sich ein genauer Blick. Denn auch wenn im Moment rechtlich noch nichts beschlossen ist, könnte diese Reform den Alltag vieler Digitalprofis gravierend verändern.

Was das Digital-Omnibus-Paket wirklich verändert

Im Kern geht es um Deregulierung – allerdings mit europäischer Vorsicht. Die Kommission will mehrere bestehende Gesetze auf einmal anpassen. Besonders betroffen sind die Anforderungen an Hochrisiko-KI-Systeme, die eigentlich schon ab August 2026 strikter reguliert werden sollten. Diese Frist soll nun bis Ende 2027 verlängert werden. Zudem sollen bürokratische Hürden wie Dokumentationspflichten sinken und mehr Verantwortung an die neue EU-AI-Behörde übergehen. Ein Schritt, der in der Praxis Erleichterung bringen könnte, aber auch Fragen zur Kontrolle aufwirft.

Im Datenschutzrecht plant die Kommission zudem, den entscheidenden Punkt zu klären, wann Daten nicht mehr als „personenbezogen“ gelten. Das mag nach juristischem Feinschliff klingen, hat aber weitreichende Folgen. Denn das würde es Unternehmen erleichtern, anonymisierte oder pseudonymisierte Datensätze weiterzugeben oder für KI-Training zu nutzen, ohne ständig neue Einwilligungen einholen zu müssen.

Das klingt auf den ersten Blick logisch – immerhin gilt Anonymisierung als Schutzinstrument. Aber Datenschützer warnen: In der Praxis können viele anonymisierte Datensätze rekonstruiert oder mit anderen Daten wieder zu konkreten Personen verknüpft werden. Hier schwingt also die Angst mit, dass „Anonymisierung“ zum Freifahrtschein für Datennutzung wird.

Der kritische Blick der Datenschützer

Die Datenschutzorganisation noyb, angeführt vom bekannten Aktivisten Max Schrems, sieht die Änderungen äußerst kritisch. Ihrer Ansicht nach verwässert die neue Formulierung zentrale Prinzipien der GDPR. Statt objektiver Prüfbarkeit rücke nun ein subjektiver Maßstab in den Vordergrund – nämlich das, was ein Verantwortlicher behauptet, mit Daten tun zu können oder zu wollen. Das könnte, so der Vorwurf, bestimmten Branchen wie Adtech oder Datenbrokern ermöglichen, ganze Geschäftsmodelle am Datenschutz vorbei weiterzuführen.

Man muss kein Jurist sein, um zu ahnen, dass hier ein großes Konfliktfeld entsteht: Zwischen der Innovationslust der EU, die bei KI mit den USA und China mithalten will, und den Grundwerten des europäischen Datenschutzes, die weltweit als Vorbild gelten.

Cookies, Banner und Browser-Signale – weniger Klicks, mehr Kontrolle?

Ein Punkt, der dich ganz praktisch betreffen könnte, betrifft die Cookie-Regeln. Nach Jahren der Kritik an endlosen Banner-Abfragen möchte die Kommission Nutzer von der sogenannten „Banner-Müdigkeit“ befreien. Die Idee: Bestimmte Cookies, die kein hohes Risiko bergen – etwa für reine Reichweitenmessungen oder Funktionalitäten einer Website – könnten künftig von der Pflicht zur Zustimmung ausgenommen werden.

Stattdessen sollen Browser selbst einheitliche Datenschutzeinstellungen anbieten, die websiteübergreifend gelten. Du stellst sie einmal ein, und die Webseiten müssen das respektieren. Klingt wunderbar bequem, oder? In der Praxis wird das aber nur funktionieren, wenn es wirklich gemeinsame Standards gibt – und genau daran hakt es seit Jahren. Google, Apple und Mozilla verfolgen zum Beispiel sehr unterschiedliche Auffassungen davon, was „Do Not Track“ eigentlich bedeutet.

Wenn sich das Digital Omnibus durchsetzt, könnten viele europäische Nutzer bald weniger Banner sehen – was die User Experience verbessert – und Websitebetreiber müssten weniger Pop-up-Kategorien pflegen. Gleichzeitig steigt aber der Druck, die Browser-Signale korrekt und rechtskonform zu interpretieren. Ich persönlich finde diesen Ansatz charmant, aber er hängt massiv davon ab, ob sich Industrie und Regulierer endlich auf einheitliche Signale einigen können – ein Thema, über das wir wohl noch Jahre diskutieren werden.

Ein Beispiel aus der Praxis

Stell dir vor, du betreibst ein mittleres E-Commerce-Portal. Momentan zeigst du beim ersten Besuch eine fünfstufige Consent-Platte, vom Marketing-Cookie bis zur Profilerstellung. Mit der neuen Regelung könnten standardisierte Browser-Schalter die Arbeit übernehmen – und du müsstest nur noch spezifische Funktionen deklarieren. Das ist weniger Arbeit für dich, aber auch weniger Kontrolle darüber, wann ein Besucher interagiert. Es verschiebt den Fokus also weiter in den Browser – weg von der einzelnen Website.

KI-Training und Datenrechte – das heikelste Spielfeld

Am umstrittensten ist der Teil, der sich mit Künstlicher Intelligenz beschäftigt. Denn mit dem Digital Omnibus will die Kommission auch klarstellen, unter welchen Voraussetzungen personenbezogene Daten für das Training von KI-Modellen genutzt werden dürfen. Die geplante Erweiterung des rechtlichen Rahmens könnte Unternehmen wie Google, Meta oder OpenAI erlauben, europäische Daten – etwa aus Online-Verhalten oder Social-Media-Aktivitäten – in ihre Modelle einzuspeisen, ohne für jede Nutzung die ausdrückliche Zustimmung des Einzelnen einzuholen.

Datenschützer laufen Sturm. Sie fordern ein Opt-in-Modell – also, dass Nutzer aktiv zustimmen müssen, bevor ihre Inhalte oder Verhaltensmuster Teil eines Trainingsdatensatzes werden dürfen. Das vorgeschlagene Opt-out-Modell, bei dem man der Datennutzung widersprechen müsste, sei für normale Bürger kaum praktikabel. Denn wer merkt schon, dass sein Profiltext von 2016 oder eine alte App-Nutzung Spuren im Datensatz eines Chatbots hinterlässt?

Noyb warnt deshalb vor einem „stillen Dammbruch“: Europäer könnten schleichend zu unbezahlten Lieferanten für KI-Systeme werden. Gleichzeitig sehen Befürworter darin eine Chance, Innovation zu fördern und europäischen Unternehmen mehr Freiraum gegenüber US-Giganten zu geben. Das ist ein klassischer Zielkonflikt, und ehrlich gesagt – man kann beide Seiten nachvollziehen. Fortschritt braucht Daten, aber Vertrauen ist in Europa ein empfindliches Gut.

Warum dich das als Marketer oder Entwickler betrifft

Vielleicht denkst du, das sei alles weit entfernt von deinem Alltag. Aber unterschätze nicht, wie stark sich diese Änderungen auf Analyse-Tools, Tracking-Strategien und KI-Funktionen auswirken könnten.

Wenn der Vorschlag umgesetzt wird, könnten Cookie-Banner in Europa deutlich kürzer werden. Auch Tools wie Google Analytics 4 müssten dann enger an die Browser-Signale gekoppelt werden. KI-Features, die auf Nutzerdaten beruhen – ob das ein Chatbot ist, der Kundendialoge trainiert, oder eine Recommendation Engine – bräuchten klare Prozesse, um anonymisierte Daten korrekt zu handhaben. Du wirst vielleicht keine neuen Banner einbauen müssen, aber deine Datenbasis könnte sich verändern – weniger klar, woher sie kommt, und wer sie nutzen darf.

Und noch etwas: Die nationalen Datenschutzbehörden – also zum Beispiel die französische CNIL oder die deutsche Datenschutzkonferenz – könnten künftig weniger individuelle Spielräume haben, da mehr Verantwortung auf EU-Ebene landen soll. Das bedeutet einheitlichere Regeln, aber möglicherweise auch mehr Distanz zur Praxis kleiner Unternehmen.

Ein realistischer Ausblick

Aus meiner eigenen Erfahrung mit Datenschutzprojekten ist klar: Die EU sucht gerade ihr Gleichgewicht zwischen Innovationsförderung und Regulierung. Das Digital Omnibus ist ein Versuch, das starre Korsett der GDPR etwas aufzulockern, ohne das Vertrauen der Bürger komplett zu gefährden. Werden damit alle glücklich? Sicher nicht. Große Konzerne jubeln, Datenschützer warnen, kleine Unternehmen atmen vorsichtig auf. Doch ob das Paket wirklich den angekündigten „Bürokratieabbau“ bringt, hängt letztlich von der Ausgestaltung im Parlament ab – vor allem davon, wie eng die Definition von „anonymisiert“ oder „nicht-personenbezogen“ bleibt.

Interessant ist, dass dieser Entwurf mehr

Tom Brigl

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