Einleitung
Ganz ehrlich – 2024 und 2025 waren wie ein chirurgischer Schnitt durch den Hype rund um KI und SEO. Millionen an Wagniskapital wurden investiert, dutzende Start-ups entstanden, Dashboards ploppten auf wie Pilze nach dem Regen – aber nur wenige verstanden, wo eigentlich das echte Geschäft liegt. Während viele dachten, LLM-Monitoring‑Tools wären das neue Gold, zeigte sich still und schmerzlos: Das wahre Alpha ist nicht Monitoring, sondern Ausführung – Agentic SEO.
Aus meiner Sicht ist das fast schon ironisch. Denn wer mit Marken und Plattformen arbeitet, weiß: Niemand will noch ein weiteres Dashboard, das „zeigt, was passiert“. Die Nachfrage richtet sich längst auf Tools, die „machen, dass etwas passiert“.
Die Illusion des Monitorings
Rückblickend erscheint es logisch, dass Investoren so heiß auf LLM‑Monitoring waren. Es klang nach dem perfekten SaaS-Modell: stylisches Interface, leicht skalierbar, marginale Kosten, kurze Saleszyklen. Innerhalb eines Jahres flossen über 200 Millionen US‑Dollar in Start-ups, die versprachen, zu zeigen, „wo deine Marke in ChatGPT auftaucht“. Und viele Marketer dachten tatsächlich, Sichtbarkeit in KI‑Antworten sei das neue SEO‑Ranking.
Das Problem: dieser Markt war ein Luftschloss.
Denn wenn du ehrlich bist, fragst du dich: Was geht verloren, wenn du so ein Tool abstellst? Nichts außer ein paar schicke Grafiken. Kein Traffic, keine Leads, keine Kundenströme. Das Produkt liefert Information, aber keine Handlung.
Agentische Plattformen dagegen – Tools, die direkt Inhalte erstellen, veröffentlichen oder Prozesse automatisieren – kannst du nicht einfach ausschalten. Sie produzieren den Wert, während Dashboards ihn nur messen. Der Unterschied klingt klein, ist aber riesig:
- Schalte ein Monitoring‑Tool ab → du verlierst Datenpunkte.
- Schalte eine agentische Plattform ab → deine Content‑Produktion stoppt.
Und das ist es, was Kapitalgeber übersehen haben.
Der wahre Hebel: Outcomes statt Insights
Ich habe oft mit Start-ups gesprochen, die stolz ihr Seed‑Deck zeigten – eine schöne UI, ein bisschen API‑Magic, fertig. Sie nannten es „AI Visibility Analytics“. Doch wer tiefer blickte, sah: kaum Wertschöpfung.
Agentische Systeme dagegen – Content‑Engines, Automatisierungen, Publishing‑Pipelines – waren schwieriger zu erklären, aber wirtschaftlich stärker. Sie kosten mehr Integrationsaufwand, ja. Doch genau das ist ihre Verteidigungsstrategie.
Die Wahrheit: VCs verliebten sich in einfache Umsatzmodelle – 90 % Bruttomarge, kein Support –, merkten aber nicht, dass dieselbe Einfachheit sie austauschbar machte.
Tools, die 2024 wie Raketen starteten, stehen nun vor der Landung ohne Landebahn: Semrush und Co. packen „AI Visibility“ als kostenlose Checkbox ins eigene Interface. Der gesamte „Monitoring‑Sektor“ wird so zu einem banalen Feature degradiert.
Währenddessen reifen die Plattformen, die „machen“. Sie bauen die Brücke zwischen Daten und Handlung:
- Sie automatisieren Inhalte über verschiedene Kanäle hinweg,
- verankern sich in Workflows,
- und bestehen damit bei jeder Budgetreview.
Ein Tool, das dein Team täglich nutzt, weil es Arbeit abnimmt, bleibt. Ein Dashboard, das nur zeigt, was du ohnehin weißt – wird gestrichen.
Warum Agentic SEO das Spielfeld verändert
Viele verwechseln Agentic SEO mit klassischer Automatisierung. In Wahrheit ist es der radikale nächste Schritt: Systeme, die nicht nur Signale lesen, sondern Aktionen planen und durchführen.
Drei Faktoren machen den Unterschied:
- Geschwindigkeit – Es reicht nicht mehr, monatlich Reports zu prüfen. Du brauchst Output in Stundenrhythmus, über Blog, TikTok, Reddit, Quora gleichzeitig.
- Kontext-Verständnis – KI‑Texte ohne Markenseele bringen nichts. Systeme müssen deine Terminologie, deine Wissensstruktur – deine Ontologie – verstehen.
- Skalierbarkeit – Reine Textproduktion ist Commodity. Steuerbarkeit, Qualitätssicherung und Governance über viele Content‑Pipelines sind der wahre Wert.
Agentic SEO‑Plattformen wie AirOps, Contenda oder interne KI‑Stacks großer Agenturen entwickeln genau das: Komplettsysteme, die operative Arbeit übernehmen. Und sie schaffen Bindung.
Die Zäsur: Wer überlebt die nächsten 18 Monate?
Wenn du den Rhythmus der VC‑Welt kennst, weißt du: jede Geldrunde kauft Zeit. Die Monitoring‑Tools, die Anfang 2025 ihr Geld erhielten, haben jetzt vielleicht noch 12 bis 18 Monate Runway. Dann müssen sie beweisen, dass sie mehr als hübsche Dashboards sind.
Was passiert, wenn Semrush dieselbe Funktion kostenlos anbietet? Oder wenn Amplitude KI‑Tracking integriert? Richtig – der Markt schrumpft brutal.
Die Folge:
- Down‑Rounds, bei denen Bewertungen fallen,
- Acqui‑hires – Übernahmen zum Preis der Mitarbeitergehälter,
- und viele leise Insolvenzen.
Agentic Anbieter hingegen sitzen strategisch besser. Sie fügen Leistung hinzu, keine Oberfläche. Ihr Risiko ist nicht, irrelevant zu werden – sondern zu langsam zu skalieren, bevor Konzerne dieselbe Idee integrieren.
Semrush und Ahrefs sind traditionell „Read‑Only“–Tools. Für den Wandel in Richtung „Write‑Access“ – also direktes Publizieren im CMS – müssen sie tief in die Systeme der Kunden eingreifen. Das ist riskant, aber nötig. Wer das schafft, gewinnt Marktanteile.
Strukturelle Shifts: Wenn 166 Milliarden Dollar wackeln
Spannend wird es auf der Makroebene. Der SEO‑Markt soll inzwischen über 160 Milliarden Dollar schwer sein – etwa zur Hälfte Tools, zur Hälfte Services. Besonders der Dienstleistungssektor, also Agenturen, ist angreifbar: dort stecken über 50 Milliarden in menschzentrierten, repetitiven Prozessen.
In den letzten zwei Jahren sanken die Stellenausschreibungen für Content‑SEO‑Rollen – minus 28 %. Gleichzeitig stiegen die Jobs für Strategen und Leitungsfunktionen deutlich. Das zeigt eine Neugewichtung: KI erledigt Routine, Menschen steuern und prüfen.
Wenn große Unternehmen schon 15 % ihrer SEO‑Budgets in KI investieren, ist das kein Trend mehr – das ist Umbruch. Von 200.000 SEO‑Profis weltweit werden viele ihre Aufgaben neu definieren müssen.
Was du daraus für dich ziehst
Wenn du Tools kaufst
Stell dir drei Fragen, bevor du etwas Neues abonnierst:
- Löst das Tool echte Engpässe oder liefert es nur hübsche Zahlen?
- Automatisiert es Arbeit oder erzeugt es neue manuelle Schritte?
- Könnte mein bestehender Anbieter das bald ebenfalls bieten?
Wenn du zwei Mal „ja“ zur dritten Frage sagst – Finger weg.
Wenn du Investor bist
Der Monitoring‑Boom ist durch. Jetzt ist die Stunde der „Execution Layer“. Achte auf Firmen, deren Abschaltung für Kunden wehtut. Alles, was man ohne Datenverlust binnen Minuten kündigt, ist kein Venture‑Case.
Eine Faustregel, die sich gerade bestätigt:
Wenn Semrush oder Ahrefs deine Funktion leicht kopieren könnten, ist dein Schutzwall nicht hoch genug.
Wenn du baust
Als Gründer oder Produktmensch hast du zwei Wege:
- Tool as Feature: Du entwickelst ein Monitoring‑Add‑on, verkaufst dich nach 18 Monaten an eine Plattform und gehst weiter.
- Tool as Infrastructure: Du wirst Teil des Alltags, automatisierst veröffentlichte Inhalte, kontrollierst Workflows – und bleibst.
Tiefe Integration, notwendige Fachkenntnis und unsichtbare, aber harte operative Verankerung sind dein Schutz.
Frag dich: Was bricht beim Kunden zusammen, wenn er mich kündigt? Wenn die Antwort „nichts“ ist – dann baust du eine nette App, kein Unternehmen.
Wohin das führt
Der kommende Schnitt – wahrscheinlich ab Mitte 2026 – wird brutal selektiv:
- Die dünnen Monitoring‑Start-ups sterben oder werden übernommen.
- Überlebende Plattformen wachsen in den Service‑Sektor hinein und automatisieren Agenturarbeit.














